Ich möchte hier ein Buch von einem Autor vorstellen, der mich schon länger beschäftigt und auch weiter beschäftigen wird: vom jüdischen Religionswissenschafter Pinchas Lapide. Er ist schon verstorben. Alleine und zusammen mit seiner Frau, Ruth Lapide – ebenfalls jüdische Religionswissenschaftlerin – hat er einige Bücher über die Bibel veröffentlicht. Beide zeichnen sich durch ein weit umfassenderes Bibelwissen (auch über das NT) aus, als die meisten Theologen mit denen ich bisher zu tun hatte. Ruth Lapide ist immer wieder auf Bibel TV in der Sendereihe: „Bibel TV – das Gespräch“ zu sehen, wo sie interessante Einblicke in die Bibel gibt.
Natürlich betrachten sie die ganze Bibel aus der Sicht ihres jüdischen Glaubens. Etwas, was meiner Meinung nach auch uns, die wir uns mit der Bibel beschäftigen, recht gut tun würde zumindest mit dieser Sicht auch zu beschäftigen.
Aus hebräischer Sicht
Wie wir es drehen und wenden, die Bibel wurde von Hebräern geschrieben, in ihrer Sprache und innerhalb ihrer Kultur. Wollen wir wirklich verstehen, was und wovon uns die Bibel berichtet, müssen wir uns sowohl mit der hebräischen Sprache als auch der hebräischen Kultur auseinandersetzen.
Eine völlig normale Sache. Denn jeder Autor schreibt aus seinem Hintergrund. Und so manches wird erst verständlich, wenn man auch die kulturellen Hintergründe kennt. Wenn z.B. ein deutscher Autor davon schreibt, dass Jemand ein „stilles Örtchen“ aufgesucht hat, versteht der Leser aus anderen Kulturen evtl. erst dann wirklich was hier gemeint ist, wenn er kennenlernt, was diese Redewendung bei uns eigentlich bedeutet. Also mit einem Entspannen von der Hektik des Alltags hat dies zumindest eher nur am Rande etwas zu tun 😉
So eröffnen sich so manche Texte der Bibel dem Leser erst dann wirklich, wenn er sich mit dem hebräischen Hintergrund beschäftigt, aus dem sie stammen.
Verständnisprobleme
Immer wieder stoße ich auf so manche seltsame christliche Lehre, die bei genauer Betrachtung z.B. ihre Wurzeln im griechischen Denken früher Kirchenväter hat. Diese brachten schon recht früh ein Weltbild in die chr. Kirche ein, das mit dem der Bibel wenig bis garnichts zu tun hat. Ein Beispiel ist das erweiterte platonische Menschenbild, in dem der Mensch in drei Teile zerlegt wird, die in einer gewissen Interaktion miteinander stehen. Davon stammen all diese Lehren, die den Christen auffordern gegen sich selbst zu kämpfen – was i.d.R. völlig Erfolglos sein wird. Die Bibel hingegen teilt den Menschen nicht auf, sondern betrachtet immer den ganzen Menschen aus unterschiedlichen Aspekten. (Dazu später in einem anderen Blogbeitrag mehr)
Zum Buch
In diesem Buch beschäftigt sich Pinchas Lapide mit der Schilderung der Schöpfung aus 1.Mose 1-3.
P. Lapide gibt sehr interessante Einblicke in diesen Text und gibt Gelegenheit so manches aus einer anderen Sicht zu betrachten. Er beschäftigt sich unter anderem damit, dass der Mensch nach den Pflanzen und Tieren geschaffen wurde und was dies in Bezug zu dem Auftrag Gottes an die Menschen, die Erde zu verwalten bedeuten kann.
Weiter zeigt er auf, dass wir keineswegs im Schöpfungsbericht lesen, dass Gott an sechs unmittelbar aufeinanderfolgenden Tagen die Erde, etc. erschuf, sondern dass dort tatsächlich immer steht: „… siehe ein zweiter/dritter/etc. Tag“ „Ein anderer Tag“ und nicht „am nächsten Tag“. Wie viel Zeit zwischen diesen jeweils genannten Tagen vergangen ist, gibt uns der Text nicht her!
Das wäre doch mal Gehirnfutter für div. Kreationisten, die sich viel zu oft in eher beschämender Weise zu diesem Thema äußern. Da ich auch daran glaube, dass alles von Gott geschaffen und nicht nur ein Produkt von enorm viel Zufall und unmengen Zeit ist, sind mir solche eher inteligenzfreien Kommentare so mancher Christen tatsächlich peinlich und ich ärgere mich darüber.
Wo ich grad darüber schreibe
Ich möchte empfehlen einmal genau zu lesen, was im 1.Mose 1:2 steht. Da steht in guten Übersetzungen (sorry Luther ist es hier dann grad nicht): „und die Erde wurde wüst und leer.“ „Wurde“ setzt voraus, dass zuvor ein anderer Zustand herrschte als danach. Ergo war die Erde zuvor nicht wüst und leer. Wie aber war der Zustand der Erde vor dem zweiten Vers der Bibel? Frage: halten wir es tatsächlich für möglich, dass Gott etwas Unvollkommenes geschaffen hat und erst in der Nachbesserung die Sache hinbekommen hat? Und wieviel Zeit war vor dem „wurde“, wieviel Zeit beanspruchte das „werden“ und was war der Auslöser? Sagt uns die Bibel also tatsächlich, dass die Erde erst ab der im 1. Mose beschriebenen Schöpfung existiert? Nein, das gibt die Bibel eben nicht her.
Aber das nur am Rande……
Adam und die Frau
Auch zu Adam und seiner Frau finden wir interessante Gedanken in dem Buch. Nicht nur was ihren Auftrag auf der Erde betraf, sondern auch zu dem wie sie sich zueinander verhalten haben. Adam wird hier als „Mitesser“ vorgestellt, der daneben stand, als die Schlange die verhängnisvolle Konversation mit der Frau führte, usw.
Alles in allem ein Buch mit 112 Seiten, dass lohnt gelesen zu werden.
Auf jeden Fall nachdenkenswert…
zeigt, dass mancher Bibeltext nochmal genauer unter die Lupe genommen werden muss.
Segen!
Dirk.
Hat dies auf schmillblog rebloggt und kommentierte:
Eine Menge Christen (wie z.B. der Autor dieses Artikels) entdecken in unserer Zeit, dass das Christentum seine Wurzeln im Judentum hat, und dass der christliche Glaube sich vom jüdischen Denken entfremdet hat. – Es gibt noch viel zu tun!