Schulgebet unerwünscht

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Eigentlich war mir nicht bewusst, dass es in Deutschland außerhalb christlicher oder konfessionsgebundenen Schulen in Klassen ein gemeinsames Schulgebet vor Unterrichtsbeginn gepflegt wird. Aus Amerika kenne ich das, denn manche Christen machen dort recht viel Wirbel darum.

Wirbel machten nun Eltern in einer Schule hier am Niederrhein. Die Rheinische Post berichtet davon:

>Streit um „Bonhoeffer-Schulgebet“

VON HOLGER HINTZEN

Korschenbroich (RP) Zum Unterrichtsbeginn sprachen die Kinder einer Korschenbroicher Gemeinschaftsgrundschule bislang mit gefalteten Händen Verse eines Bonhoeffer-Gedichtes. Das erregte Anstoß in einem Elternhaus. Das Schulamt in Neuss schritt ein. Seither müssen die Schüler auf das Gebet verzichten.

An der Gemeinschaftgrundschule in Pesch, Stadtteil von Korschenbroich, herrscht dicke Luft. Seit eine der vier Klassen darauf verzichten muss, als morgendliches Gebet zu Beginn des Unterrichts Dietrich Bonhoeffers Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen. . .“ gemeinsam zu sprechen, rumort es in der Elternschaft. Vor allem in der Kritik steht das Schulamt im Kreis Neuss. Es hatte nach einer Elternbeschwerde gegen das Gebet interveniert.

Unstrittig ist der Auslöser der Auseinandersetzung: In der zweiten Klasse der Pescher Schule falteten die zwei Dutzend Jungen und Mädchen zu Beginn des Unterrichts die Hände und sprachen vier Zeilen des Liedes, das der evangelische Theologe Bonhoeffer 1944 schrieb – bevor er am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet wurde: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Im Elternhaus eines Kindes erregte dies Anstoß – und rief nach einer Beschwerde das Schulamt für den Kreis Neuss auf den Plan.

Dessen Rechtsauffassung ist eindeutig: Gebete sind an Gemeinschaftsgrundschulen nur im Religionsunterricht zulässig…<

Im NRW-Schulministerium ist man da weniger radikal. Ein freiwilliges, überkonfessionelles gemeinsames Schulgebet sei laut Bundesverfassungsgericht durchaus zulässig. Es darf halt Niemand dazu gezwungen werden oder in irgendeiner Weise benachteiligt werden, wenn er/sie daran nicht teilnehmen will.

Fatal bei dieser Sache ist auch, dass kein Gebet aus irgendeinem Gebetsbuch gemeinsam rezitiert wurde, sondern ein Text aus einem Lied von Bonnhoeffer. Eltern fragen nun, ob hier die Texte von Bonnhoeffer verboten würden – was natürlich nicht so sei. Andere suchen einen Kompromiss darin, andere Textzeilen zu wählen, in denen Gott nicht erwähnt würde – was meiner Meinung nach ein Affront gegen die Ehrung Bonnhoeffers wäre. Denn immerhin ist ja gerade Gott der Mittelpunkt nicht nur in diesem Lied in Bonnhoeffers Vermächtnis.

>Schulleiter Wolfgang Grüe ist über die Debatte nicht entzückt, sieht sich aber in der Pflicht, die „offizielle Linie“ zu vertreten. „Wenn es Beschwerden gegen christliche Betätigung im normalen Unterricht gibt, hat die Schule das zu untersagen. Das ist juristisch de facto richtig – wie auch immer man dazu steht“, sagt Grüe.<

Eine einzige Elternbeschwerde reichte aus, diese Welle auszulösen. Manchmal frage ich mich, ob hier so mancher Feind der christlichen Religion seine eigenen Kinder nicht zum Spielball der eigenen Überzeugungen macht. Im ganzen Text finde ich keinen Kommentar von den Kindern selbst. Auch auf der Homepage der Schule wird dieser Streit nicht mit einem Wort erwähnt. Fragt eigentlich auch Jemand die Kinder danach, was sie davon halten? Und was bitte ist denn nun die „offizielle Linie“, wenn nicht die, die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene? Die Meinung Einzelner über den Wunsch Vieler? Wie war das noch gleich mit der Demokratie?

Das Ganze erinnert sehr an den Streit um die Kreuze in Schulklassen. Eine Frage an die älteren Leser: Mal ehrlich, können sie sich daran erinnern, ob in ihrer Schulklasse ein Kreuz an der Wand hing? Also ich kann mich nicht erinnern. Wenn da nicht einzelne Eltern geradezu eine Paranoia entwickeln, geht das an der Wahrnehmung der Kinder zumeist doch völlig vorbei, oder?

Ich bin nicht der Ansicht so mancher amerikanischer Christen, die den Untergang der eigenen Kultur in der Abschaffung des Schulgebets sehen wollen. Aber solche Geschehnisse lassen mich immer wieder neu die Frage stellen, ob Deutschland weiterhin ein Staat ist, der auf den christlichen Grundwerten aufgebaut ist. Müssen Christen in Deutschland, die ihren Glauben wirklich ernst nehmen, zunehmend mit gesellschaftlicher Ausgrenzung rechnen? Bedenkt man zB auch den Wirbel im letzten Jahr, den ein Grünen-Politiker um das „Christival“ in Bremen machte, sehe ich schwere Zeiten auf uns Christen zukommen.

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4 Gedanken zu „Schulgebet unerwünscht“

  1. Schulgebet wieder erlaubt
    Wie die Rheinische Post meldet, hat die Schulministerin Barbara Sommer ein Machtwort in der Sache gesprochen:

    Nach der umstrittenen Entscheidung des Neusser Kreisschulamtes, Kindern einer Gemeinschaftsgrundschule im Korschenbroicher Ortsteil Pesch das Beten zu verbieten, hat Schulministerin Barbara Sommer gestern ein Machtwort gesprochen.
    Künftig soll das Gebet wieder erlaubt sein: „Natürlich darf kein Kind gegen seinen Willen oder dem seiner Eltern zum Schulgebet gezwungen werden. In solchen Fällen hat die Schule dafür Sorge zu tragen, daß dieser Schüler dem Gebet in zumutbarer Weise ausweichen kann. Es ist nicht hinzunehmen, daß den restlichen Schülern des Klassenverbandes ein kurzes freiwilliges gemeinsames Gebet vorenthalten wird, wenn diese ein solches Gebet wollen…
    ‚Die Ehrfurcht vor Gott ist eines der wichtigsten Erziehungsziele des Schulgesetzes und der Landesverfassung. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Bekenntnisschule oder eine Gemeinschaftsschule handelt. Auch in Gemeinschaftsschulen sollen die Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte unterrichtet und erzogen werden‘, erklärte Schulministerin Barbara Sommer gestern…“

    Das ist sehr erfreulich und zeigt auf, dass Deutschland offensichtlich doch nicht in allem Amerika nacheifert. Nochmal wird in den Artikel deutlich, dass es sich tatsächlich lediglich um die Eltern eines Kindes handelte, wodurch das Verbot des Schulgebets eingeleitet wurde. Ganz ähnlich wie damals bei den Kreuzen in den Schulräumen. Um so erfreulicher, dass hier der demokratische Prozess, im Gegensatz zu dem um die Kreuze, wirklich einmal funktioniert hat und nicht Einzelne über die Gesamtheit bestimmen konnten. Wollen wir hoffen, dass es jetzt nicht nur in Korschenbroich so bleibt.

  2. Schulgebet wieder verboten

    Die TAZ meldet:
    …. Die Elterninitiative jubelte – allerdings zu früh. Denn so kämpferisch die Worte Sommers klingen, am Bundesverfassungsgericht kommt auch die frühere Grundschulrektorin nicht so einfach vorbei. Das hat in einem Urteil festgestellt, ein Schulgebet außerhalb des Religionsunterrichts sei zwar grundsätzlich zulässig – aber nur, wenn Schüler, die oder deren Eltern eine Teilnahme ablehnen, in „zumutbarer Weise“ ausweichen können.

    Wie das im konkreten Fall jedoch funktionieren soll, weiß bislang niemand. „In der Klasse wird auch weiterhin nicht gebetet“, sagt die Mutter beruhigt, die gegen das Ritual aufbegehrt hatte. Nach den Sommerferien wird auch ihr Sohn eingeschult. Dann dürfte die nächste Klasse der Grundschule gebetsfrei werden.…..
    http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/artikel/1/schulgebet-gestoppt/

    Für die TAZ ein Sieg, für die Freiheit und Demokratie in unserem Land eine empfindliche Niederlage, wenn einzelne Personen wirksam bestimmen, was viele tun dürfen oder eben nicht tun dürfen – insbesondere wenn es um die freie Religionsausübung geht.

  3. Schulgebet wieder möglich

    Die RP meldet heute:
    In der Grundschule in Korschenbroich-Pesch dürfen die Kinder demnächst wieder den Bonhoeffer-Text „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ als Schulgebet sprechen.

    Nachdem sich im Streit um das Schulgebet seit Januar nichts bewegt habe, habe sie nun „ein geharnischtes Verslein“ auf den Postweg Richtung Rheinkreis Neuss gebracht, so Schulministerin Barbara Sommer…

    Das Gebet in der Klasse solle weiterhin stattfinden können, bekräftigte Sommer nun: „Wer sich daran nicht beteiligen möchte, muss es auch nicht.“

    Ein Kind, dessen Eltern die Teilnahme an einem solchen Gebet nicht wünschten, könne ja während des Gebets seine „Nicht-Beteiligung“ signalisieren, so die Ministerin, indem es zum Beispiel einfach nicht mitspreche oder die Hände nicht falte. Die Gemeinschaftsschule in NRW sei weiter eine christliche Schule. Es könne nicht richtig sein, dass die Mehrheit der Eltern, die das Gebet wünschten, von einer einzelnen Mutter dominiert würden.
    Rheinische Post

  4. Gebet erlaubt, Kind abgemeldet

    Die RP meldet heute:
    Ab Montag darf an der Pescher Grundschule wieder gebetet werden. Ministerin Sommer begrüßt den Kompromiss, Schule und Eltern sind erleichtert. Weil ein Elternpaar die Lösung nicht akzeptiert, meldete es sein Kind ab. Ab Montag darf an der Gemeinschaftsgrundschule in Pesch wieder das Schulgebet gesprochen werden. Diese Entscheidung gab gestern Schulministerin Barbara Sommer bekannt, nachdem am Montag die Vertreter aus dem Ministerium, der Bezirksregierung, der Schule und die Eltern der Schüler um einen Kompromiss gerungen hatten….

    Die Eltern des Kindes reagierten auf die Entscheidung der Ministerin und meldeten gestern ihr Kind von der Grundschule ab. Ab Montag soll es eine andere Schule besuchen….

    Das Ziel des Gesprächs am Montagabend war, eine Lösung zu finden, der sich alle anschließen können. „Auch wir bedauern sehr, dass die einseitig bis zum Schluss nicht vorhandene Bereitschaft für einen Kompromiss in der Konsequenz dazu geführt hat, dass die Eltern sich veranlasst sehen, ihr Kind aus dem Klassenverband zu entfernen und in einer anderen Grundschule anzumelden“, sagte Elternsprecher Andreas Weerth. Dabei hatte sich bei dem mehr als zweistündigen Gespräch zunächst ein Kompromiss abgezeichnet, den alle Beteiligten würden tragen können. Im Anschluss hatte Weerth gesagt: „Wir sind hoffnungsfroh, eine tragbare Lösung gefunden zu haben.“ Die Eltern einigten sich darauf, die „Kompromisslösung“ noch einmal zu überdenken, dies berichtete ein Ministeriumssprecher. Nach der Bedenkzeit entschieden sich die Eltern des Kindes, die das Schulgebet nicht befürworten, diese Lösung nicht mitzutragen.
    Rheinische Post

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