Lückengnade

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Bewohner von Mehrfamilienhäusern kennen das vielleicht:
Während man duscht wechselt der Wasserdruck immer wieder und die Wassertemperatur wechselt demzufolge beständig zwischen heiß und kalt. Das kommt daher, weil jemand im Haus just dann an seiner Wasserstelle den Hahn aufdreht, die Spülung der Toilette betätigt oder gar die Waschmaschine angestellt hat.
Misstrauischen Mitbürgern mag da auch die Frage beschleichen, ob der Nachbar nur nicht mitbekommt, dass man gerade duscht, oder ob er das Wasser gerade deshalb bei ihm aufdreht …

Man selbst unter der Dusche bekommt das „was übrig bleibt“. Warm duschen unter (Lücken)Gnade, sozusagen.

Ähnliches gibt es an vielen Stellen zu beobachten. Sei es der Pulk an einem Eingang oder Buffet, wo der Rücksichtsvolle gnadenlos weggedrängt wird. Da gibt es die, die jedes intime Gespräch abrupt unterbrechen und ihrem Anliegen lautstark Raum verschaffen. Sei es in der Arbeitswelt, wo z.B. Langzeitarbeitslose mit „Brosamen“ der Arbeitswelt abgespeist werden und dafür auch noch in der Gesellschaft diskriminiert werden. Und zu vielen Gelegenheiten mehr.

Manche verbringen ihr Leben in den Lücken, die Andere ihnen lassen. Nicht unbedingt weil sie sich nicht durchzusetzen wüssten. Oftmals gibt das Leben dies vor, oftmals ist es eine Charakterfrage eines Menschen, der sich nicht permanent durchsetzen will.

Ein Leben in der Lücke, dahin sind nicht wenige Menschen gestellt.  Immer wieder fallen solche Menschen in eine Depression oder ihr oft jahrelang aufgestauter Frust entlädt sich brachial. Legendär wurde zu dem Thema der Film „Falling Down – ein ganz normaler Tag“ mit Michael Douglas.

Immer unter dem Gefühl zu stehen, man bekommt nur, was von anderen übrig bleibt, kann wohl jeden deprimieren.

Auch Jesus begegnet solchen Menschen, die in ihren Gesellschaftslücken leben. Da ist die kanaanäische Frau in Matth. 15:21-28.
Auf ihre Bitte um Hilfe antwortet Jesus zunächst: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“. Sie aber fiel vor ihm nieder und sprach: “ Herr, hilf mir!“ Jesus antwortete: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ Sie erwidert: „Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ Da sagte Jesus zu ihr: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst!“ (Rev. Elb.)

Der Glaube, den Jesus hier so lobt ist schlicht das Vertrauen, dass diese Frau in Jesus setzte. Keine fromme Leistung also, schlichtes Vertrauen.
Diese Frau gehörte nicht zu dem Volk der Juden, daher reagierte Jesus zunächst so auf sie. Aber Jesus weißt sie nicht ab oder behandelt sie nicht als Unwürdige. Er wendet sich dieser Frau zu, er hört ihr Anliegen und reagiert mit derselben Gnade, mit derer  einem Angehörigen des eigenen Volkes begegnen würde.
Ähnlich reagiert Jesus zuvor auf den römischen Hauptmann in Matth. 8:5-13. Auch hier lobt Jesus das Vertrauen, den Jener aufbrachte.
An einer anderen Stelle lesen wir von einem Lückenbüßer in der jüdischen Gesellschaft, der ebenfalls Jesu Aufmerksamkeit bekommt. Der blinde Bettler in Luk. 10:46–52. Als dieser laut nach Jesus rief, raunten ihn viele an, er solle ruhig sein. Daraufhin rief er nur noch lauter und Jesus wendet sich ihm zu.

In keinem dieser Fälle weißt Jesus die Menschen ab. In allen dieser Fälle bekommen die Hilfesuchenden Jesu volle Aufmerksamkeit. Selbst wenn man in der Geschichte mit der kanaanäischen Frau meinen könnte, sie bekäme nur einen Überrest von dem, was „vom Tisch der Juden herunterfällt“, erfährt auch sie ohne Abstrich in Gänze die selbe Gnade, wie alle Anderen auch.

An anderer Stelle lesen wir, dass Jesus sogar zu den Menschen hingeht, die von der Gesellschaft geächtet werden und an ihrem Tisch sitzt. Das ist das herausragende an Gott: ER kommt zu uns in unsere Lücke. ER ist sich nicht zu schade unser Leben mit uns zu teilen. Und jede Zuwendung Jesu, jede erwiesene Gnade ist die volle Zuwendung und keine Gnade zweiter Klasse.

Dies ist eine Welt, in der die vermeintlich Starken (oft auch nur die Unverschämten und Lauten) jeden vermeintlich Schwachen an den Rand drücken und zu einem Leben verurteilen will, das genährt wird von dem „was übrig bleibt“. In dieser Welt nimmt Jesus sich auch heute noch die Zeit und Aufmerksamkeit für jeden. Stand oder Lebensumstände sind ihm gleichgültig. Jesus verteilt keine Lückengnade – was ER gibt ist immer die volle Gnade.

Gott sei Dank!

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