Wenn man den immer mehr zunehmenden „Journalismus“ gegen Evangelikale in Deutschland glauben will, soll die Welt Angst vor den „gefährlichen“ Evangelikalen haben. Immer häufiger liest, hört und sieht man Reportagen über deutsche Evangelikale, die einen schier staunen lassen. Also zumindest dann, wenn man tatsächlich eine realistische Ahnung davon hat, wer oder was Evangelikale in Wirklichkeit sind.
Extrem und gefährlich seien sie, die Evangelikalen in Deutschland. Die ja angeblich sogar vor Morddrohungen an ihre Kritiker nicht zurückschrecken würden – so zumindest die „Reportage“ des Medienmagazins „Zapp“ vom NDR. (Hier das Video)
Glaubt man diesen „Journalisten“ (was sich Heute aber auch alles ernsthaft „Journalisten“ nennen darf – das sollte uns Sorgen machen), dann schwimmen Evangelikale förmlich in Geld und streben mehr nach starken politischen Einfluss, als ihnen an ihrer Religionsausübung gelegen sei.
Zitat „Zapp“:
Uwe Birnstein, Publizist und Theologe: „Die evangelische Allianz verfügt schon über sehr viel Geld. Das sieht man, wie moderne und gut ausgerüstete Medien das sind (…) diese Gruppe, diese Fundamentalisten, das ist eine Lobbygruppe. Denen geht es vielleicht noch gar nicht so sehr um Glaube, wie um politische Macht. Um politische Macht durchsetzen zu können, braucht man ein großes Heer an Menschen und Einfluss in den Medien, aber auch in der Politik.“
Das ist doch immer gut zu wissen. Nur dumm, dass die Evangelikalen selbst dies noch nicht wissen. Denen geht es immer noch um ihre Religionsausübung und weniger um politische Macht. Ein kurzer Blick in die Realität evangelikaler Gemeinden in unseren Städten zeigt zumindest, dass die allerwenigsten evangelikalen Gemeinden irgendeinen politischen Einfluss in ihrer Stadt, geschweige denn im Land oder Staat haben.
Diese Gemeinden sind sicherlich extrem daran interessiert, wo die immensen Geldmittel denn verteilt werden – denn die Realität solcher Gemeinden ist eher durch Geldmangel, denn durch Überfluss gekennzeichnet.
Morddrohungen würden Evangelikale an ihre Kritiker schicken.
Ich will garnicht bezweifeln, dass solche Kritiker wie in dieser sogenannten „Reportage“ vorgestellt, auch solch extreme Reaktionen vereinzelt erhalten. Aber was uns diese sogenannte „Reportage“ verschweigt ist, ob diese Drohungen tatsächlich von Evangelikalen stammen. Zumindest kenne ich nicht einen einzigen Evangelikalen (und ich kenne nun schon wirklich seltsame Vögel unter ihnen) der solche Drohungen ausstoßen würde. Normalerweise ist eine Höllenandrohung hier schon das heftigste.
Nein, die Evangelikalen, die angeblich Abtreibunsgärzte erschossen haben sollen, hat es in Europa noch nicht gegeben – und bei sorgsamer Berichterstattung ist es auch sehr fragwürdig, ob diese Arztmörder in Amerika tatsächlich Evangelikale waren.
Zu den ermordeten Bibelschülern im Jemen und den dahinterstehenden Bemühungen solcher evangelikalen Missionswerke, meinten zwei dieser „Journalisten“ jüngst in der Radiosendung „Diesseits von Eden“ das WDR5 abschließend, dass hier „Extremisten auf Extremisten (Evangelikale via Islamisten) stoßen würden“.
Um das mal etwas anschaulicher zu machen, wer hier nun auf wen trifft:
Ist klar, bei solchen „Extremisten“ wie die deutschen Evangelikalen – wer traut sich da Heutzutage noch Sonntags auf Deutschlands Straßen?
Dieser kurze Bericht in dieser Radiosendung (Punkt zwei dieser Sendung ab Min 4:35 – Min 10:30) ist in seiner Sammlung von angeblichen „Fakten“ ebenso ein Bilderbuchbeispiel plumper, einseitiger Polemik und hat mit nüchterner, sachlich richtiger Journalistik schlicht nichts gemein.
Evangelikale würden sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass sie die „historisch-kritische Methode“ der Bibelauslegung ablehnen würden. Ein zunehmend beliebtes Argument solcher „Journalisten“. Nun, das ist so zunächst einmal sogar richtig. Nur seltsamerweise fragt Niemand dieser „Journalisten“ nach, warum diese Methode eigentlich abgelehnt wird. Diese Methode wird eher, völlig ohne Erklärung oder Erläuterung als „heute geltender Auslegungsstandart“ dargestellt – was schlichtweg mehr einem Wunschtraum als der Realität entspricht. Offensichtlich haben diese „Journalisten“ nicht genügend Ahnung von Theologie um hier eine kompetente Meinung von sich zu geben. Als Gegenpol wird dann die „wörtliche Bibelauslegung“ genannt…. nur was genau heißt das nun wieder? Ja, um noch weiter zu gehen: gibt es eigentlich einen einheitlichen Standart einer „wörtlichen Bibelauslegung“ oder ist das nicht vielmehr ein oberflächlicher Sammelbegriff für teils recht unterschiedliche Methoden an die Auslegung der Bibel heranzugehen?
Da kann ich mich nur dem Ausspruch eines deutschen Kabarttisten anschließen:
„Wer keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten“
Billige Polemik bis Hetze muss das wohl genannt werden, was sogenannte „Jouranlisten“ in den heutigen Tagen verbal und medial von sich absondern. Sowas hat es schon immer zu vielen Themen in unserer Gesellschaft gegeben. Das wäre noch nicht wirklich erschütternd – ist das doch lediglich das beständige Zeichen, dass Meinungsmacher lange nicht über echte Intelligenz verfügen müssen.
Viel schlimmer ist, dass Otto-Normal-Bürger solche billige Polemik als Wahrheit aufnimmt und zu glauben bereit ist.
Klar, das wirkt jetzt übertrieben, dennoch komme ich um diesen Gedanken nur schwer herum:
Haben wir solche tumpe Bereitschaft, billiger Polemik allzuviel Glauben zu schenken, nicht schon zu heftig in jüngerer Vergangenheit in Westeuropa gehabt? Lernen wir eigentlich nichts dazu?
Bleibt der Trost, dass man im Alltag dann eher auf Menschen trifft, die zwar ein paar solcher dummen Sprüche (dann Argumente genannt) von sich geben ohne sich wirklich für das Thema zu interessieren. Oder man trifft auf Menschen, die dann ein echtes Interesse entwickeln, verstehen zu lernen wer oder was Evangelikale in Deutschland dann nun wirklich sind. Solche werden wohl positiv enttäuscht werden, wenn sie dann mal Evangelikale treffen oder sich gar ihre Veranstaltungen ansehen.
Dennoch bleibt die Frage:
Wohin bitte soll diese zunehmende Polemik gegen Evangelikale eigentlich führen?
Ein Kommentar aus der Diskussion über den Zapp-Beitrag:
Matthias Says:
Juni 25th, 2009 at 10:02
Selten habe ich einen so schlecht gemachten, polemischen und löchrig recherchierten Beitrag gesehen, wie diesen. Das schreibe ich nicht nur als Christ, sondern vor allem als TV-Journalist mit mehrjähriger Berufserfahrung und fundierter Ausbildung. Hier könnte als Leitsatz das alte Sprichwort gelten: Was Du nicht willst, was man Dir tu, dass füg auch keinem Anderen zu. Sie zitieren aus TV-Sendungen evangelikaler Sender, indem Sie lediglich die Gäste derer Talkshows zu Wort kommen lassen. Dass die jeweiligen Moderatoren durchaus eine Andere Meinung haben könnten, lassen Sie ihre Zuschauer nicht wissen. Sie lassen eine Interviewpartner in einem O-Ton sagen, dass er per Mail Todesdrohungen bekommt und die auch in hoher dreistelliger Anzahl. Gleichzeitig erkennt hier aber der Fachmann, dass gerade dieser O-Ton (verbunden durch einen so genannten “Weißblitz”) gar nicht so im Zusammenhang gesagt worden sein kann. Der Laie, den Sie hier polemisch zu beeinflussen versuchen, wird das aber so sehen und dann natürlich selbstverständlich auch über Ihre “Offenheit” und “Klarheit” jubeln.
Vermutlich hat Ihr Protagonist gesagt, dass er Todesdrohungen bekommt. Und zu einem anderen Zeitpunkt in dem Interview wird er dann angegeben haben, dass er Mails (welchen Inhalts auch immer) in “hoher dreistelliger” Anzahl bekommen hat. Natürlich bleibt da immer noch der fade Beigeschmack der Todesdrohungen, die Ihr Befragter sicherlich bekommen hat. Aber solche Extremisten, die es mit Sicherheit auch unter den evangelikalen Christen gibt, kommen auch in Kreisen von Moslems, Hindus und Atheisten vor. Die sind leider nie ganz aus der Welt zu verdammen.
Zitiert werden von Ihnen in diesem Zusammenhang natürlich nur diese Morddrohungen, andere kritische Beiträge aus diesen Foren werden von Ihnen leider unterdrückt.
Sie beziehen die Deutsche Evangelische Allianz in Ihre “Achse des Bösen” ein. Gleichzeitig kommt aber weder der Vorsitzende noch der Geschäftsführer dieser Vereinigung zu Wort. Es hätte Ihre Zuschauer sicherlich interessiert, dass die Evangelische Allianz ein Zusammenschluss der unterschiedlichsten evangelischen Kirchen und Gemeinden ist. Dass dort auch evangelikale Christen ihren Platz haben ist gut und richtig so, denn die Evangelische Allianz will sich ja durchaus als “Gemeinschaftsraum” aller evangelischen Christen verstanden wissen. Inklusive eines regen Meinungsaustausches und auch etwas „extremere“ Auffassungen. So lange diese noch Verfassungskonform sind, kann und muss man die im Rahmen einer demokratischen Grundhaltung auch tolerieren.
Noch ein kurzes Wort zum „Christival“ in Bremen. Sie erwecken den Anschein, dass das dort stattgefundene Seminar bzgl. der “Heilbarkeit von Homosexualität” auch von allen evangelikalen Christen so getragen wurde, weil sie es eben alle auch so sehen. Durch einseitige Berichterstattungen der unterschiedlichsten Medien – auch von Ihrem Sender – wurde aber in der breiten Bevölkerung der Anschein erweckt, “die Evangelikalen” im Allgemeinen würden alle so denken. Das ist mitnichten so. Die Veranstalter wollten eben auf diesem Jugendfestival ein breites Spektrum an Meinungen zulassen und eben nicht einzelne Ideen und Meinungen ausgrenzen. Natürlich gibt es auch von Christen dezidierte Meinungen zum Thema Homosexualität.
Da stellt sich hier als Fazit natürlich die Frage: Wer versucht hier eigentlich wen mit seiner Meinung zu beeinflussen? Wer drückt hier eigentlich wem seinen fundamentalistischen Stempel auf?