Charisma- gemeindelose Christen?

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© charisma

In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Charisma – come Holy Spirit“ ist das Titelthema „Gemeindelose Christen?“ Ein Grund für mich hier darauf hinzuweisen und ein paar Worte darüber zu verlieren.
Ich war positiv überrascht zumeist recht positive Artikel über die Christen zu finden, die in zunehmender Menge ihr Leben als Christ außerhalb institutioneller Gemeinden leben.

Gerhard Bially, der Herausgeber der Charisma, schreibt im Editorial u.a.:
Die ganze Sache ist einerseits besorgniserregend, enthält aber auch ein Erneuerungspotenzial. In der vorliegenden „Charisma – come Holy Spirit“ möchten wir diesen Querdenkern eine Stimme verleihen.

Auf Seite 9 schreibt Emmerich Adam u.a.:
Als wir während einer Redaktionssitzung diese Ausgabe vorbereiteten, nannten wir das Titelthema salopp „Gemeindelose Christen“. Bei der näheren Beschäftigung mit dem Thema merkten wir: Es geht um etwas anderes …

Zunächst steigt er in das Thema mit den gängigen Vorurteilen ein, die es über Christen außerhalb institutioneller Gemeinden so gibt.
Christen, die persönlich an Jesus glauben, beten, die Bibel lesen und sich Predigt-Videos im Fernsehen oder Internet anschauen – dies alles aber allein für sich „im stillen Kämmerlein“ tun. Mit anderen Christen pflegen sie keine verbindliche Gemeinschaft. Vielleicht gehen sie von Zeit zu Zeit auf eine Konferenz, ab und zu besuchen sie vielleicht sogar einen Gottesdienst ihrer Wahl, aber es bleibt punktuell und unverbindlich, tiefere Beziehungen zu Mitchristen werden dabei nicht eingegangen.

Gründe dafür könnten sein:
In der Regel haben sie mit anderen Christen, mit Gemeinden schlechte Erfahrungen gemacht. Sie wurden verletzt, enttäuscht, sie wurden nicht anerkannt, vielleicht nicht einmal wirklich wahrgenommen, sie konnten vielleicht ihre Gaben nicht einbringen oder wurden sogar geistlich missbraucht. Irgendwann haben sie dann für sich die Entscheidung getroffen: „Ab jetzt ziehe ich allein mit dem Herrn meine Wege!“

Dann stellt er die Frage, ob es theologisch oder biblisch gesehen gemeindelose Christen gibt. Er betrachtet das zum Leben als Christ die Gemeinschaft gehört und stellt fest:
Ich spreche bewusst von „Gemeinschaft“ und nicht von „Gemeinde“  oder „Kirche“. Jesus hat in diesem Zusammenhang oft den Überbegriff „Reich Gottes“ verwendet.
Gott selbst hat nicht nur Gemeinschaft, er ist Gemeinschaft: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und eine der schönsten Verheißungen knüpft Jesus an die Gemeinschaft: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20)

Dann stellt er die Frage, wie richtige Gemeinde aussehen mag.

Es folgt ein Artikel von Dr. Hamilton aus der Schweiz, welcher in der „Hauszellenbewegung“ engagiert ist.
Dieser schreibt u.a.:
Was bedeutet Gemeinde für sie, welche Rolle spielt sie in ihrem realen Leben? Geht es dabei um ihre persönliche Mitgliedschaft bei einer eingetragenen Religionsgemeinschaft, in der sie ähnlich wie in einem Bücherlesezirkel ein Abonnement für regelmäßigen Gottesdienstbesuch gebucht haben? …
Ich möchte gern den Fokus auf wachsende authentische Beziehungen und hierfür nötige Beziehungsfähigkeiten legen. …
Wo aber läuft es so, dass wir Sonntag für Sonntag den Gottesdienst besuchen, die Predigt hören, uns an Lobpreis und Gebet beteiligen … als faszinierte Zuschauer dessen, was vorne geschieht! Nebenbei betrachten wir ein bis zwei Stunden lang den Hinterkopf des vor uns Sitzenden und berichten im Anschluss, welch wunderbare Gemeinschaft wir heute wieder miteinander gehabt haben. …
Vor diesem Hintergrund müssen wir uns die Frage stellen: Könnte es vielleicht sein, dass sich manches eingetragene Mitglied einer christlichen Gemeinschaft eher am Rande dessen befindet, was die Heilige Schrift unter Gemeinschaft/Gemeinde versteht, während einige von den Menschen, die sich selbst keiner Institution anschließen, wohl aber in regelmäßiger, authentischer Gemeinschaft miteinander leben, diesem Ideal der Bibel deutlich näher kommen? …
So ist zu beobachten, dass neben Einzelgemeinden gerade Hauskirchen und sogenannte „Simple Churches“ (einfache Gemeinden) eine starke Ausrichtung auf echte tragfähige Beziehungen zwischen den Gläubigen haben, verbunden mit einer klaren Ausrichtung auf Jesus, der im Mittelpunkt steht. …
Vielleicht sollten wir uns darauf zurückbesinnen, dass wir als Christen auf dem Weg sind, und Gemeinschaft – in welcher Form auch immer – ist Ausdruck unserer gemeinsamen Weggenossenschaft auf ein klar umrissenes Ziel hin – und weniger darum, welcher Gruppierung man sich anschließt. …

Im nächsten Artikel schreibt Oliver Schippers, Leiter des Instituts für Natürliche Gemeindeentwicklung u.a.:
Gemeinde im neutestamentlichen Sinne hat mehr Ähnlichkeit mit einer Großfamilie als mit einem Verein. …
Es kann schon sein, dass regelmäßige Treffen helfen, Beziehungen zu bauen und miteinander Leben zu teilen. Aber miteinander arbeiten, Modelleisenbahnen basteln, joggen, Bier trinken, stricken, Eltern pflegen, shoppen und vieles andere kann wesentlich besser dazu beitragen, dass Gemeinde mitten im Leben Gestalt gewinnt.

Danach folgt ein überarbeiteter Artikel von Kerstin Hack mit dem Titel: „Ich bin nicht gottesdiensttauglich!“, der auch hier auf ihrer eigenen Homepage zu finden ist.

Dem folgen vier persönliche Berichte von Christen mittleren Alters, die ohne Zugehörigkeit zu einer institutionellen Gemeinde ihr Leben als Christ hingegeben leben. Sehr lesenswert, wie ich finde.

25 Seiten später finden wir dann zwei Artikel unter der Rubrik: „Forum“, welche die andere Sicht beleuchten.
Ein Artikel von Pastor Rehberg aus der Vineyard-Gemeinde in Speyer und ein Artikel von Manfred Roth, Pastor des Biblischen Glaubenszentrums Schaffhausen, in der Schweiz.
Mir fällt mir auf, dass diese Artikel eher klassische Ansichten, samt ihrer Irrtümer transportieren. (Spätestens jetzt merkt man, dass ich einer der Christen bin, die außerhalb der institutionellen Gemeinden ihren Glauben hingegeben leben 😉 )

Pastor Rehberg spricht von einer neuen Reformation, die wir evtl. brauchen würden. Ermüdet möchte ich nachfragen, nachdem nun schon öffentlich das Ende der charismatischen Bewegung und das nahe Ende der relativ neuen „Emerging Churches“ durch namhafte Vertreter dieser Bewegungen ausgerufen werden, ob wir wirklich nur wieder eine neue „Welle“ brauchen, auf der wir surfen sollen? Diese findet dann natürlich in den Räumen und Veranstaltungen der „Gemeinden, wie wir sie kennen“ statt.

Pastor Roth überschreibt seinen Artikel gar mit: „Die Gemeinde – Gottes Festung auf Erden“.
Meine Frau bemerkte sehr richtig, dass Festungen dafür gebaut werden, damit Niemand Fremdes in sie hineinkommen kann. Damit ist der Artikel meiner Ansicht nach auch schon treffend umschrieben.
Er bemüht eine Menge Bibelstellen, in denen der Begriff „Gemeinde“ vorkommt, um aufzuzeigen, dass es schlicht biblisch sei, einer solchen organisierten Ortsversammlung anzugehören. Leider wird dabei sehr deutlich, dass Pastor Roth nicht so gründlich nachgeforscht hat, wie sehr viele der Christen außerhalb der institutionellen Gemeinden. Denn dann hätte ihm auffallen müssen, dass es sich hier um Übersetzungen von Begriffen aus der Bibel handelt, die schon einladen sie tendenziell zu lesen. Er hat nicht verstanden, dass nach der Bibel jeder wiedergeborene Christ Teil der Gemeinde – des Leib Jesu ist. Ein Christ geht nicht zu einer Gemeinde – maximal zu einer Versammlung derselben – sondern er ist Gemeinde. Zudem sagt ja Jesus selbst, wie oben schon erwähnt:
„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20)
Gemeinde fängt also schon dort an, wo zwei oder drei Christen sich im Namen Jesu / mit der klaren Zielsetzung auf Jesus hin versammeln und nicht erst dann wenn man einen Gottesdienstraum, eine organisierte Leitungsstruktur, Lobpreisband, Kinderbetreuung und Prediger hat.

Beiden Artikeln ist die Ernsthaftigkeit abzuspüren, mit der sie verfasst wurden.  Leider aber sind sie eher Beispiele für eben das traditionelle Denken, welches so viele Christen außerhalb der etablierten Gemeindeformen nach mehr Tiefgang suchen lässt.

Alles in allem ist diese Ausgabe der „Charisma – come Holy Spirit“ 2/2010 zu diesem Thema wirklich empfehlenswert. Ich hoffe dass mein Artikel hier dazu anregt, sich selbst einmal diese Ausgabe zu kaufen und sich evtl. sogar per Leserbrief an die dort möglicherweise entstehende Diskussion zu beteiligen.

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12 Gedanken zu „Charisma- gemeindelose Christen?“

  1. Hallo Charly,

    hast Du wirklich angenommen, dass da etwas Sinnvolles und Neues an Erkenntnis über die oocc-Ler herauskommt?

    Ich nicht! Aber es ist immerhin ein Signal, daß diese Entwicklung, die schon seit vielen jahren läuft endlich auch mal deutlich wahrgenommen wird. Mehr ist es aber leider auch nicht!

    maranatha Stephan

  2. Hallo Stephan,
    nein, etwas Neues habe ich zum Thema dort nicht erwartet. Ich hatte eher eine viel negativere Darstellung erwartet.

    Ich finde es gut, dass Charisma diese Form der Darstellung gewählt hat, weil ich hoffe, dass dadurch eine positive Diskussion angestoßen wird.

  3. Ich kann hierzu das Buch „Heidnisches Christentum“ von Viola empfehlen, wo Kirche, Gemeinde, Christ-Sein über die letzten 2000 Jahre genauer beleuchtet werden.
    Die Lebensweisen der ersten Christen werden in Erinnerung gebracht, die Veränderung und Anpassung an heidnisch-römische Sitten, die römisch-katholische Gottesdienst-Form inklusive des Kirchen-Gebäude-Stils werden erklärt und die Reformation durch Luther näher beleuchtet, die eigentlich keine wirkliche große Veränderung war, sondern die Predigt ins Zentrum eines Gottesdienstes brachte, aber die Liturgie wie die katholische blieb.
    So sitzen wir Christen, egal ob in einer staatlichen oder freikirchlichen Versammlung, als passive Zuhörerschaft und lauschen der Predigte eines ausgebildeten Pastors oder Priesters der Theologie…(wie kann man bloß jemals zu einem Abschluß in der Unterweisung des Wortes Gottes kommen?), und werden mal mit mehr oder weniger modernen Mitteln unterhalten..Karaoke-Kirche, wo der Heilige Geist sich nicht bewegen darf.
    Viola beschreibt den Leib Christi in solch einer Art des Gottesdienstes ganz drastisch: ein übergroßer Mund (der des Priesters/Pastors) und ein Riesen-Anzahl kleiner Ohren…

    Trotzdem:
    Gemeinschaft ist immer wichtig, denn nur durch Gemeinschaft erfahre ich, wie ich auf andere wirke, und ob ich in christlicher Liebe wandeln und anderen verzeihen kann, die anders denken und leben als ich.
    Einige Verse aus dem Wort Gottes dazu, die Pro-Gemeinschaft sind:
    Sprüche 27/17
    17 Eisen schärft Eisen, ebenso schärft ein Mensch einen anderen.
    Gal. 6/2
    Einer trage des anderen Lasten, und so sollt ihr das Gesetz des Christus erfüllen!
    Hebr. 10/23
    Laßt uns festhalten am Bekenntnis der Hoffnung, ohne zu wanken — denn er ist treu, der die Verheißung gegeben hat —,
    24 und laßt uns aufeinander achtgeben, damit wir uns gegenseitig anspornen zur Liebe und zu guten Werken,
    25 indem wir unsere eigene Versammlung nicht verlassen, wie es einige zu tun pflegen, sondern einander ermahnen, und das um so mehr, als ihr den Tag herannahen seht!

    Ich bin zuversichtlich, dass Jesus weiterhin Seine Braut, die Gemeinde, zurüstet und formt, und Er wieder Zentrum von Versammlungen wird, wo wir Ihm die Ehre geben…und einander dienen, auferbauen durch das Wort, und tatkräftg den Armen, Alten und Waisen helfen, wie es uns geboten wird.

  4. „Ich bin zuversichtlich, dass Jesus weiterhin Seine Braut, die Gemeinde, zurüstet und formt, und Er wieder Zentrum von Versammlungen wird, wo wir Ihm die Ehre geben…und einander dienen, auferbauen durch das Wort, und tatkräftg den Armen, Alten und Waisen helfen, wie es uns geboten wird.“

    Da stimme ich Dir zu und weiß daß es niemals anders war. Aber die Versammlungen der Nachfolger Christi waren noch nie zwangsläufig in Kirchen organisiert (wie Du bei Viola ja schön gezeigt hast) …

    Mir ist es lieber ich besuche jahrelang keine Kirche und habe (etwas seltener) stattdessen echte Geistesgemeinschaft mit Menschen deren HERR eindeutig Jesus ist. Denn in den Kirchen sind echte Nachfolger eine verschwindende Minderheit geworden. Meist ist nämlich die Kirche selbst mit ihren frommen Formen, Zielen und Dogmen an die Stelle Christi getreten und SO selbst zum verführenden Antichristen geworden!

  5. Hallo Stephan, ich glaube Du sprichst die Thessalonicherbriefe an.
    Vielleicht täusche ich mich ja, aber ich denke Jesus Christus wird bald wiederkommen.

  6. Epheser 2,1. Auch euch hat er auferweckt, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, in denen ihr einst wandeltet gemäß dem Zeitlauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten der Macht der Luft, des Geistes, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt.

    Welche Gemeinde hat noch so einen Glauben?

    1. Hmmm … haben wir hier einen neuen Gast oder eine neue Antwort des damaligen Gastes? Namen, selbst Phantasienamen, beleben die Diskussion 😉

      Welche Gemeinden noch so einen Glauben haben? Sehr viele, würde ich sagen. Also eigentlich jeder Christ, der im Sinne des Verses vom neuen geboren wurde. Denn der Vers zeigt deutlich auf, dass Gott hier handelte und nicht die Menschen.

      Andere Frage an dich: was ist denn deiner Meinung nach biblischer Glaube?

  7. Echter biblischer Glaube bedeutet für mich das Menschen in der Liebe Gottes wandeln, und ihm (seinem Geist) gehorchen. (In den Johannesbriefen ist dies sehr gut beschrieben 😉

    schönen Samstag noch 🙂

  8. In der Bibel steht drinnen erstes Gebot liebe Gott den Vater vom ganzen Herzen. Und das kann man nur wenn man Jesus vom ganzen Herzen Nachfolgen möchte. In Jesu mächtigen Namen Amen.
    Ich

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