Nun ist sie vorbei, die Rede des Papstes im Bundestag. Obwohl mich diese eigentlich weniger interessierte, habe ich mir aufgrund des Hype, der darum gemacht wurde, doch angehört.
Zunächst ließ es sich der Bundestagspräsident Lammert nicht nehmen, eine eigene Rede vor der Papstrede zu halten. Das war mehr als eine Begrüßung. Jeder mag sich eine eigene Meinung dazu machen, ob der Umfang so genehm war oder nicht. Lammert, als gläubiger Katholik, nannte den Papst dabei immer „Heiliger Vater“ – was mir nun ganz und garnicht passt! Lammert stand dort nicht als Mitglied der rkK, sondern als Vertreter des deutschen Volkes. Für ihn persönlich mag der Papst der „Heilige Vater“ sein, was aber ganz gewiss nur für eine Minderheit im deutschen Volk gilt. Denn ob der Papst nun heilig oder gar unser Vater ist, wird sicherlich sehr unterschiedlich beurteilt werden.
Für mich als Nichtkatholik und trotzdem Christ gilt hier: Der Papst ist als Christ in keiner Weise irgendwie heiliger als alle anderen Christen und weiter gilt, was uns im Wort Gottes von Jesus selbst geboten wurde:
Matthäus 23:9 Ihr sollt auch nicht jemanden auf der Erde euren Vater nennen; denn einer ist euer Vater, nämlich der im Himmel. (Rev.Elb.)
Hier ist im Text die Anrede „Vater“ als eine Form der respektvollen Anrede für geistliche Oberhäupter gemeint – unsere leiblichen Väter dürfen wir ergo weiterhin so benennen. Das mögen Katholiken anders bewerten oder begründen wollen, nur bleibt diese Anrede des Papstes seitens des Bundestagspräsidenten für mich in dieser Situation und Position inakzeptabel.
Dann folgte die Rede des Papstes. Der gesamte Text kann hier nachgelesen werden.
Der Inhalt der Rede umging in sehr geschickter diplomatischer Weise all die Ansprüche und Befürchtungen, die im Vorfeld geäußert wurden. Tatsächlich war es eine mehr philosophische Betrachtung als ein religiöser Appell. Er selbst nannte sie: „Überlegungen über die Grundlagen des Rechts“
Sympathisch war, dass der Papst dabei auch einzelne selbstironische Bemerkungen einfließen ließ.
Diese kurze philosophische Betrachtung war so nicht schlecht. Aber meiner Meinung nach bei weitem nicht so maßgebend, wie Bundestagspräsident Lammert sie im Überschwang seiner Gefühle in der Verabschiedung des Papstes bezeichnete.
Hat der Papst in seiner Rede geflunkert?
Hier ein Zitat aus der Rede vom Papst:
Wie erkennt man, was recht ist? In der Geschichte sind Rechtsordnungen fast durchgehend religiös begründet worden: Vom Blick auf die Gottheit her wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist. Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt. Die christlichen Theologen haben sich damit einer philosophischen und juristischen Bewegung angeschlossen, die sich seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. gebildet hatte.
Ach ja? Das hat die römisch katholische Kirche nie getan? Was war das dann mit zum Beispiel der Inquisition und dem durchaus auch massiven politischen Druck auf katholische Fürsten und Könige? Was für ein Unsinn es nun so darstellen zu wollen, als hätte diese Kirche von Anfang an lediglich auf die Natur und die Vernunft als die waren Rechtsquellen verwiesen. Lange genug – zum Teil evtl. sogar noch Heute – hat die rkK ganz klar politischen Einfluss mit dem Anspruch eines Offenbarungsrechts genommen.
Sollte gerade der Papst das nicht wissen? Wohl kaum. Warum dann aber diese plumpe Unwahrheit in seiner Rede?
Weiter sagte er in diesem Kontext:
Für die Entwicklung des Rechts und für die Entwicklung der Humanität war es entscheidend, daß sich die christlichen Theologen gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt haben. Diesen Entscheid hatte schon Paulus im Brief an die Römer vollzogen, wenn er sagt: „Wenn Heiden, die das Gesetz (die Tora Israels) nicht haben, von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist, so sind sie… sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab…“ (Röm 2,14f). Hier erscheinen die beiden Grundbegriffe Natur und Gewissen, wobei Gewissen nichts anderes ist als das hörende Herz Salomons, als die der Sprache des Seins geöffnete Vernunft.
Er erweckt hier den Eindruck die rkK habe sich schon von Paulus an „gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt“ zu haben. Nur stimmt das so nicht. Erinnern wir uns zum Beispiel an Galileo Galilei und die rkK: War das ein Beispiel für das, was der Papst hier behauptet? Wohl kaum.
Seine Behauptung mag in einem gewissen Sinne für Paulus gelten. Da sich die rkK für die eine und wahre Kirche Jesu Christi hält und ihren Anspruch bis auf Petrus zurückbezieht, mag ein Katholik sogar annehmen, er stünde in der Tradition eines Paulus. De facto ist dem aber nicht so. Weder das die rkK diese eine und wahre Kirche Jesu Christi ist, noch dass sie in dieser Frage von Anfang an in der Tradition des Paulus stünde.
Somit kann zumindest die rkK diesem Anspruch, den der Papst hier erhoben hat nicht genügen. Und Wahrheit waren seine Behauptungen auch nicht. Ein wahrer Jünger Jesu sollte sich aber eigentlich jeglicher Lüge enthalten. Auch flunkern gilt nicht.
Weiter führte der Papst aus:
Wenn damit bis in die Zeit der Aufklärung, der Menschenrechtserklärung nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gestaltung unseres Grundgesetzes die Frage nach den Grundlagen der Gesetzgebung geklärt schien, so hat sich im letzten halben Jahrhundert eine dramatische Veränderung der Situation zugetragen. Der Gedanke des Naturrechts gilt heute als eine katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren nicht lohnen würde, so daß man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen. Ich möchte kurz andeuten, wieso diese Situation entstanden ist. Grundlegend ist zunächst die These, daß zwischen Sein und Sollen ein unüberbrückbarer Graben bestehe. Aus Sein könne kein Sollen folgen, weil es sich da um zwei völlig verschiedene Bereiche handle. Der Grund dafür ist das inzwischen fast allgemein angenommene positivistische Verständnis von Natur und Vernunft. Wenn man die Natur – mit den Worten von H. Kelsen – als „ein Aggregat von als Ursache und Wirkung miteinander verbundenen Seinstatsachen“ ansieht, dann kann aus ihr in der Tat keine irgendwie geartete ethische Weisung hervorgehen. Ein positivistischer Naturbegriff, der die Natur rein funktional versteht, so wie die Naturwissenschaft sie erklärt, kann keine Brücke zu Ethos und Recht herstellen, sondern wiederum nur funktionale Antworten hervorrufen. Das gleiche gilt aber auch für die Vernunft in einem positivistischen, weithin als allein wissenschaftlich angesehenen Verständnis. Was nicht verifizierbar oder falsifizierbar ist, gehört danach nicht in den Bereich der Vernunft im strengen Sinn. Deshalb müssen Ethos und Religion dem Raum des Subjektiven zugewiesen werden und fallen aus dem Bereich der Vernunft im strengen Sinn des Wortes heraus. Wo die alleinige Herrschaft der positivistischen Vernunft gilt – und das ist in unserem öffentlichen Bewußtsein weithin der Fall –, da sind die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt. Dies ist eine dramatische Situation, die alle angeht und über die eine öffentliche Diskussion notwendig ist, zu der dringend einzuladen eine wesentliche Absicht dieser Rede ist.
Das positivistische Konzept von Natur und Vernunft, die positivistische Weltsicht als Ganzes ist ein großartiger Teil menschlichen Erkennens und menschlichen Könnens, auf die wir keinesfalls verzichten dürfen. Aber es ist nicht selbst als Ganzes eine dem Menschsein in seiner Weite entsprechende und genügende Kultur. Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit. Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa, in dem weite Kreise versuchen, nur den Positivismus als gemeinsame Kultur und als gemeinsame Grundlage für die Rechtsbildung anzuerkennen, alle übrigen Einsichten und Werte unserer Kultur in den Status einer Subkultur verwiesen und damit Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert werden. Die sich exklusiv gebende positivistische Vernunft, die über das Funktionieren hinaus nichts wahrnehmen kann, gleicht den Betonbauten ohne Fenster, in denen wir uns Klima und Licht selber geben, beides nicht mehr aus der weiten Welt Gottes beziehen wollen. Und dabei können wir uns doch nicht verbergen, daß wir in dieser selbstgemachten Welt im stillen doch aus den Vorräten Gottes schöpfen, die wir zu unseren Produkten umgestalten. Die Fenster müssen wieder aufgerissen werden, wir müssen wieder die Weite der Welt, den Himmel und die Erde sehen und all dies recht zu gebrauchen lernen.
Hier stellt er sich gegen das völlige Ausklammern von Religion und religiösen Werten in der Bildung ethischer Werte. Völlig zurecht, will ich meinen. Auch ich glaube nicht, dass in Europa Recht und Gerechtigkeit unter ethischen Grundsätzen funktionieren kann, wenn der Glaube dabei völlig ausgeklammert werden soll. Ganz klar steht diese Aussage gegen die aktuellen Bestrebungen mancher Neo-Atheisten.
Weiter führte er aus:
Kehren wir zurück zu den Grundbegriffen Natur und Vernunft, von denen wir ausgegangen waren. Der große Theoretiker des Rechtspositivismus, Kelsen, hat im Alter von 84 Jahren – 1965 – den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben. Er hatte gesagt, daß Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hat. Dies wiederum würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur miteingegangen ist. „Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, ist völlig aussichtslos“, bemerkt er dazu. Wirklich? – möchte ich fragen. Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?
An dieser Stelle müßte uns das kulturelle Erbe Europas zu Hilfe kommen. Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis. Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben. Die Kultur Europas ist aus der Begegnung von Jerusalem, Athen und Rom – aus der Begegnung zwischen dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden. Diese dreifache Begegnung bildet die innere Identität Europas. Sie hat im Bewußtsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde des Menschen, eines jeden Menschen Maßstäbe des Rechts gesetzt, die zu verteidigen uns in unserer historischen Stunde aufgegeben ist.
Dem kann und möchte ich so zustimmen. Ich bin für die Trennung zwischen Kirche und Staat, eben weil die Kirche sich in früheren Jahrhunderten in übelster Weise in das politische Geschäft eingemischt hat. Aber ich bin gegen die völlige Ausklammerung des Glaubens aus der Rechts- und Gerechtigkeitsbildung in Europa.
Fazit für mich:
Die Rede des Papstes war diplomatisch geschickt, sie hat aber eigentlich nicht wirklich etwas bewegt. Alle Kontroversen, die im Vorfeld zu solch heftigen Reaktionen geführt haben, wurden nicht angesprochen. Viele Hoffnungen, die Katholiken und andere in diese Rede gelegt haben, wurden – wie zuvor schon zu vermuten war – enttäuscht. Trotzdem wird diese Rede nun eine Zeit lang von manchem Papstfan glorifiziert um dann recht bald wieder vergessen zu werden.
Lammerts Vorrede war hochinteressant aber sie war ein Bekenntnis des Redners zu seinem Glauben und keine notwendige Begrüßung oder Einführung des Papstes.
Ohne es direkt ausgesprochen zu haben hat der Papst durch seine Rede genau das getan was er behauptet nie getan zu haben: Sich in die Politik und Rechtsprechung einzumischen!
Außerdem ist auch klar, daß er damit selbst den Anspruch erhoben hat auf die exklusive Offenbarung zurückgreifen zu können und ALLEIN letztgültige moralische Maßstäbe nicht nur setzen zu können sondern sogar im Gehorsam gegen einen Höheren sogar von Anderen fordern zu müssen!
Der Mann ist ein sehr schlauer Fuch, der sehr genau weiß was er tut und sagt weil er ebenso weiß was er erreichen will und wie er dort hin kommt.
Seine Einleitung sich als Kirchenoberhaupt darzustellen war strengenommen ein bewußter Verstoß gegen das Protokoll, der freilich von Lammert schon vorweggenommen war. Aber war etwas anderes zu erwarten? Nicht wirklich!
Der Papst wurde als politisches Oberhaupt des Vatikan-Staates eingeladen und hat sich als Kirchenoberhaupt mit Anspruch auf exklusive Macht über ethische Ansprüche entpupt.
Ich sage dazu nur, daß mir das Verhalten verdächtig ähnlich vorkommt wie in der Redewendung: „Wenn man dem Teufel den kleinen Finger gibt nimmt er gleich die ganze Hand!“
Gott hat jedem Menschen einen Freien Willen gegeben. So kann jeder entscheiden wem er folgen will: dem Papst oder Maria oder Budda oder oder oder…
Es führen vielleicht viele Wege nach Rom, aber nur ein Weg in den Himmel.
Jesus sagt: Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben.
Genauso sind nicht alle Menschen Brüder. Auch hat Jesus eine eindeutige Unterscheidung gemacht. Es gibt die Kinder Satans und diejenigen die von neuem geboren sind.