In der Beschäftigung mit den aktuellen Trends unter den Christen begegnet einem seit ein paar Jahren in einem bestimmten Segment zunehmend ein neuer Trend mit der Überschrift: „Integrales Christentum“. Ein christlicher Bloggerkollege beschäftigt sich immer wieder damit. Daher interessierte mich, um was es hier geht. Ist es eine der vielen Fakes oder eine echte Chance zur Weiterentwicklung der Christen?
Das „Integrale Christentum“ basiert auf den Werken des Philosophen Ken Wilber, welcher sicherlich weit weg davon ist, ein Christ zu sein. Auch er ist nicht der originäre Erfinder dieser Ansichten – zumindest nicht alleine.
Gibt es das wirklich, ein „Integrales Christentum“?
Das ist die Frage, der es sich zu stellen gilt.
Ich habe mich mit den Büchern „Gott 9.0“ und „Integrales Christentum“ etwas beschäftigt. Das was mir hier begegnet, ist mir, der als Christ schon in den 70ern unterwegs war, allzu bekannt. Damals war auch in Deutschland die Hochzeit esoterischer Sekten. Sich in dieser Zeit zu Jesus zu bekehren, verlangte schon, sich mit verschiedenen Hintergründen diverser Sekten zu beschäftigen. Aber nicht nur mit den Hintergründen, sondern auch mit den Strukturen, auf denen diese basieren.
Was habe ich da gefunden, was mich sofort an esoterische Sekten denken lässt?
- 9 Erleuchtungsstufen
Also wenn ich jetzt anfangen wollte all die Sekten aufzuzählen, die mit Erleuchtungsstufen arbeiten, würde das ein langer Tag werden 🙁
Das markante an den Erleuchtungsstufen: Allen ist gemein, dass der so mehr und mehr „Erleuchtete“ sich in seiner „tieferen Erkenntnis“ über all die erhoben fühlt, die sich noch in den „niederen Erkenntnisstufen“ bewegen. Wer nicht die „höheren Erleuchtungen“ erfahren hat, kann unmöglich verstehen, was die „höhere Erleuchtung“ in sich ausmacht.
Platt gesagt: Das erklimmen dieser „Erleuchtungsstufen“ macht gegenüber Kritik resistent, da Kritik ja nur auf mangelnder Erkenntnis beruht. Ergo: Arroganz pur, fromm verpackt. - Die Gurus
Wie es sich gehört, bedarf es auch hier den Gurus, den bereits „Erleuchteten“, die einem auf dem Weg der Spiritualität verhelfen. Das diese Gurus in der Regel – so auch hier – schlicht Schwätzer sind, die ihre Ansichten lediglich charismatisch verkaufen können, ist den Jüngern eher egal. Besonders wenn die Gurus pseudointellektuell, mit vermeintlich so ziemlich allen wissenschaftlichen Wassern gewaschen auftreten. So eben auch hier. Ken Wilber und die anderen Namhaften Vertreter sind nüchtern betrachtet ganz sicher nicht als Wissenschaftler oder zumindest Solchen, die echte Kenntnis in den vielen Bereichen besitzen würden die sie als Beweisführung beanspruchen, anzuerkennen. Daher sind ihre Rückschlüsse und Beweisführungen mittels Zitaten auch, genauer betrachtet, einfach nur falsch und von Unkenntnis geprägt. - Das erhabene, eigentlich nicht zu erreichende Ziel der „Erleuchtungen“
Dieses Ziel ist hier, in Stufe (bisher) 7, 8 und 9, die völlige Erhabenheit und das Aufgehen in der Spiritualität. Gott ist hier keine Person mehr, sondern: Zitat: „Gottesbild: trinitarisches Ineinander von Gott und Mensch. / Gott als pulsierender Prozess, als Poet der Welt. / Gott als unser Werdenkönnen.“
Der Mensch verschmilzt mit Gott und wird selbst zu Gott. Sprich: Meditationsziel ist die Selbsterlösung – wobei man sich ja von der Erlösungsbedürftigkeit schon lange vorher verabschiedet hat. Sprich: Wer noch auf Jesus baut, hat noch nicht wirklich verstanden. - Eigene „heilige Bücher“
Da ja die bisherigen „heiligen Bücher“ wie Bibel, etc. längst veraltet und lediglich Frucht niederer „Erleuchtungsstufen“ sind, schaffen die Gurus neue „heilige Bücher“ und verkaufen sie dann gleich auch gewinnbringend. - Mehr und mehr geschlossene Nachfolgergruppen
Wer sich hier auf den angebotenen „Weg der Erleuchtung“ begibt, wird nach und nach Teil mehr oder weniger vor der Öffentlichkeit verschlossenen Gruppen „höherer Erleuchteter“. Ist ja klar, Menschen in niederen Erleuchtungsstufen können diese Sphären ja nicht verstehen und können derart „Erleuchtete“ auf ihren Weg nicht weiterhelfen. Elitäre Gruppen für elitäre Menschen.
Wie steht es mit der Theologie im „Integralen Christentum“?
Kurz gesagt: Nichts Neues unter der Sonne. Wieder einmal haben sich Christen auf ihrer Suche nach der „besseren Erkenntnis“ auf altbekannte synkretistische Wege begeben – die Vermischung aller möglichen Religionen sowie philosophischen und wissenschaftlichen Ansichten. Die Heilswege der Bibel werden als Erkenntnisse niederer Erkenntnisstufen abgetan.
Beschäftigt man sich mit den Erläuterungen der Gurus, muss man feststellen, dass sie die Botschaft der Bibel offensichtlich nicht wirklich verstanden haben. Auch hier nur bestenfalls Halbwissen. Die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen wird zugunsten spiritueller Wege der Selbsterlösung abgetan. Also eigentlich dasselbe wie schon so oft in den vielen Jahrhunderten seit Christus.
Gibt es also ein „Integrales Christentum“?
Seriös gesagt: Nein, gibt es nicht. Es ist wieder nur einer der vielen Irrwege, die von Gott weg führen. Ich erkenne im „Integralen Christentum“ sogar die deutliche Gefahr, das sich daraus eine Sekte entwickeln kann. Wollen wir also hoffen, dass das „Integrale Christentum“ letztlich wieder nur eine der vielen Wellen ist, auf denen hippe Christen surfen, um recht bald auf eine neue aufzuspringen.
Eine echte, ernsthafte Beschäftigung mit der Botschaft der Bibel, ohne den Anspruch zu verfolgen, es selbst soviel besser zu können und zu verstehen, wie die Generationen vorher, wäre tausendmal besser. Klar, nicht so hipp und man setzt sich Kritik aus. Aber der bessere Weg der Wahrheit ist es allemal.
Nun denn, die Reaktionen auf meinen Artikel hier sind absehbar.
Die, die sich im „Integralen Christentum“ so richtig erleuchtet fühlen, werden mich und meine Meinung in die „blaue Stufe“ (Stufe 4: Absolutistische Stufe der Wahrheit und Werte) einordnen und sich ob meiner Kritik erhaben fühlen. Ich hoffe für diese, dass der Sturz aus ihrem selbst gebastelten Himmel nicht zu arg werden wird. Praktischerweise finden sich ja im neusten Buch „Integrales Christentum“ ja gleich Argumentationshilfen, um mit unter anderem solch „nieder Erleuchteten“ wie mir einen gelingenden Austausch zu führen. Aber ob das hilft?
Die, die selbst noch auf ihrem „spirituellen Weg“ sind und sich für das „Integrale Christentum“ interessieren, mögen ob meiner deutlichen Worte angesäuert sein. Wenn es hilft rechtzeitig nachzudenken, auf welchen Weg man sich hier begeben will, mag mir das Recht sein.
Andere werden mir vorwerfen, dass ich mich selbst für „höher Erleuchtet“ halte, da ich es wage Andere auf ihrem „spirituellen Weg“ zu kritisieren. Wichtig ist aber nicht, was diese von mir halten, sondern wie ich mich selbst einschätze. Einer „höheren Erleuchtung“ bedarf ich nicht. Ich bin völlig damit zufrieden, erlösende Gemeinschaft mit meinem Gott zu haben und mich durch Ihn und durch die Beschäftigung mit allen möglichen menschlichen Erkenntnissen als Lernender zu betrachten.
Warum dieser Absatz? Einfach nur um manch unnötige Diskussion zu vermeiden. Das ist wahrlich nicht das erste Mal, dass ich mich derart kritisch mit einer neuen Welle unter Christen beschäftige. Da lernt man, wie viele typische Reaktionen sind.
Ich bin gerade dabei aufzuzeigen, wie die Subjekt-Objekt-Verschmelzung, die von den „Erleuchteten“ gesucht wird mit der Verschmelzung mit einer Gottheit nach Jiamblichus gleichkommt, bei der die Beuteilung, was aus dem Menschen kommt und was in Folge eine Inkorporation eines Geistwesens entsteht, nicht mehr möglich ist: das ist der Punkt, wo Dämonen Erleuchtungsphänomene erzeugen, die dann fehlinterpretiert werden als Merkmal einer spirituellen Reife. Das Modell von Wilber postuliert eine Bewußtseinsevolution, die ich in meinem Buch „Hans und die Bohnenranke“ schon in Frage stellte, denn ein „gefallener Gott“ bedürfte quasi ja keine Evolution, die ja lineare-metrischem Zeitverständnis entspringt und ein Ziel vor Augen hat, das nichts anderes als Selbsterlösung ist. Marion Küstenmacher hatte sich von transpersonalpsychologischem Denken gefangennehmen lassen, ihre Absicht eine Diskursplattform für die christlichen Nominationen bei einer einladenden toleranten Haltung dem Verständnis von Spiritualität aus anderen Religionen läßt diese aber gleichzeitig sprengen, da eine „Welteinheitsreligion“ ja gerade ein luziferisches Ziel ist, das das Christentum aushebeln sollte. Statt Gottesfucht wird eine neue spirituelle Intelligenz vor dem weltanschaulichen Gerüst einer postmodernen Metaphysik versprochen, die die Erlösungsnotwendigkeit sprengt und damit das Kernstück des christlichen Glaubens auslöscht. Wenn Marion Küstenmacher von einem interreligiösen Bibliodrama berichtet, klammert sie den kosmischen Kampf zwischen „Licht und Finsternis“ aus und verspricht eine Freiheit, die Christus nicht nötig hat – ergo kann es kein integrales Christentum geben: „Meine christliche, damals noch mehr von […] Theologie geprägte Sicht auf den Text als Sündenfall wurde durch die Interaktion mit einer jüdischen Mitspielerin in Exodusmut verwandelt: Wir waren plötzlich keine Sünder mehr […].“ Ich empfehle alle Leser meine kritischen Bücher zu lesen, in denen vor solchen Risiken gewarnt wird, wie es Dave Hunt schon tat.
Hallo,
also eigentlich mag ich Werbung für eigene Bücher in den Kommentaren auf meinem Blog nicht. Dave Hunt ist meines Erachtens auch alles andere als eine Empfehlung. (Kategorie: Zu allem eine Meinung, dafür kaum echtes Wissen.)
Aber aufgrund deiner weiteren Ausführungen lasse ich das jetzt mal so stehen.