Angeborene Moral?

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Gewissen
© Gerd Altmann / pixelio.de

Im hr2-Funkkolleg Psychologie wird die Frage aufgegriffen, wie wir Moral entwickeln. Eine Frage, die immer wieder auch aus dem humanistischen Blickwinkel auftaucht – die Frage ob der Mensch von Grunde auf gut oder böse ist.

In der Philosophie haben wir zwei Pole:
Zum einen haben wir die These von Jean-Jacques Rousseau (18.Jh), dass der Mensch gut sei und erst durch die Erziehung und durch die Gesellschaft verdorben würde.

Zum anderen haben wir die These von Thomas Hobbes (16.Jh), der wiederum davon überzeugt war, dass „Jeder Mensch dem anderen ein Wolf ist“ – „Homo homini lupus est“. Nach Hobbes ist der Mensch ein vom Trieb der Selbsterhaltung beherrschtes Tier, das nur für seine Angelegenheiten kämpft. Der Mensch befinde sich im Krieg aller gegen alle.

Hier wird nun aus psychologischer Sicht betrachtet, ob und wie Kinder bereits von sich aus moralisches Empfinden entwickeln. Um es vorweg zu nehmen: es gibt noch keine eindeutigen Antworten, da der Einfluss der Erziehung und dem erleben des sozialen Umfelds nicht herauszufiltern ist. Es ist also nicht wirklich klar, ob das moralische Empfinden aus dem Menschen selbst kommt oder wieviel davon antrainiert und abgeschaut ist.

Deutlich wird dass moralisches Empfinden auf der Grundlage von Beziehungserfahrungen aufgebaut wird. Der Mensch bewertet also Handlungen im Umgang mit anderen Menschen auch daraus, welchen Gewinn dieses in Bezug auf sich selbst und seinem Stand in der Sozialgemeinschaft hat. Handlungen, die einen gegenseitigen Nutzen erbringen, werden höher und besser bewertet, als Handlungen die nur einem Einzelnen zum Nutze sind.

Die Bibel und Moral
Was sagt uns nun die Bibel zur Moral? Ist Moral aus deren Sicht lediglich ein Ergebnis einer Abwägung möglichst gemeinschaftsnützlicher Handlungen und Einstellungen? Ist der Mensch laut Bibel von sich aus zu einer Moral fähig?

Zunächst wird der Mensch in der Bibel nicht als losgelöstes Wesen dargestellt, dass aus sich heraus entstanden ist, sondern als ein Wesen, das nach dem Bilde Gottes von Gott selbst erschaffen wurde. Dies setzt voraus, dass im Menschen diese Gottähnlichkeit verankert ist. Dies kann eine Erklärung dafür sein, dass auch schon bei kleinen Kindern ein moralisches Empfinden nachzuweisen ist. Weiter sagt uns die Bibel, dass der Mensch, auf sich selbst gestellt, jegliche Moral leicht verwirft. In vielen Geschichten und Bilden wird uns in der Bibel dargestellt, dass der Mensch ohne Gott leicht in Egoismus versinkt und sich zu einem unmoralischen Wesen entwickelt.

In der Bibel wird Moral völlig in der Reflektion auf Gott bewertet. Moralisch ist, was Gott als Gut bezeichnet. Die meisten Regeln und Gebote sind infolgedessen auch auf das Miteinander der Menschen ausgerichtet.

Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass die anderen Völker, die in der Bibel erwähnt werden oder auch nicht erwähnt werden, keinerlei Moral besessen hätten. Letztlich wird aber alle Moral auf Gott rückbezogen, als der Schöpfer und Geber des Menschen.

Finden wir im Alten Testament noch ein umfassendes Regelwerk im Gesetz, dass die Gemeinschaft der Menschen untereinander und zu Gott regeln soll, so ist der Anspruch an den Christen im Neuen Testament weit höher. Hier nun soll der Christ, vom Geist Gottes beseelt, Gottes Liebe zu allen Menschen und die Hingabe Jesu für die Menschen als Vorbild für die eigene Moral haben. Ok, genau betrachtet gab es das gab es auch schon im Alten Testament, war aber deutlicher überlagert vom Gesetz. Im Neuen Testament ist der Mensch nun nicht mehr gegenüber einem Regelwerk verantwortlich zu machen, sondern wird wieder auf sein Gegenüber in Gott selbst geworfen.

Und Heute?
2 Timotheus 3:1 Du musst wissen, dass die Zeit vor dem Ende sehr schlimm sein wird. 2 Die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, großtuerisch und eingebildet. Sie werden Gott und Menschen beleidigen, ihren Eltern nicht gehorchen und vor nichts mehr Ehrfurcht haben. Sie sind undankbar, 3 lieblos und unversöhnlich. Sie werden ihre Mitmenschen verleumden und sich hemmungslos ausleben. Sie sind gewalttätig und hassen das Gute. 4 Zu jedem Verrat bereit, sind sie leichtsinnig und werden vom Hochmut verblendet. Sie leben nur für ihr Vergnügen und kümmern sich nicht um Gott. 5 Sie geben sich zwar einen frommen Anschein, aber von der Kraft wahrer Gottesfurcht wollen sie nichts wissen. Halte dich von solchen Menschen fern!
(Neue evangl. Übers.)

Dieser Bibeltext, der immerhin aus ca. 67 n. Chr. stammt, scheint nur allzu trefflich unsere Gesellschaft zu beschreiben. Allerdings beschreibt dieser Text tatsächlich diverse Gesellschaftsentwicklungen der Menschheitsgeschichte, da sich Gesellschaften immer wieder in diese Richtung entwickelten. Der tragische Punkt an diesem Zustand in der heutigen Zeit ist aber, dass allein vom Wissenstand, dem gesamten wissenschaftlichen und technologischen Hintergrund und den gesellschaftlichen Entwicklungen her, es immer leichter fallen sollte eben diese Entwicklung nicht in unserer Gesellschaft zu haben. Dennoch unterliegen gerade die moralischen und ethischen Werte und Grundsätze einem rapiden Verfall.

Das bringt mich zurück auf die Feststellung der Bibel, dass der Mensch in sich, seiner Existenz und seiner Moral nicht allein auf sich selbst bezogen bewertet werden kann, sondern immer in Bezug auf Gott als seinen Schöpfer und Geber.

Moralforschung heute
Es stellt sich also wie immer die Frage, mit welchem Bild vom Menschen man an die Erforschung der Entwicklung der Moralempfindung beim Menschen herangeht. Betrachtet man den Menschen allein auf sich selbst bezogen oder auf Gott und der ihm innewohnenden Gottähnlichkeit, sowie seiner Erlösungsbedürftigkeit im Zustand der Gottgetrenntheit.

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4 Gedanken zu „Angeborene Moral?“

  1. Dieser Artikel im Vergleich zu meinem hier und dem Beitrag auf hr3 zeigt gut auf, dass Fakten eben immer gedeutet werden müssen. Das tun wir eben je nach zugrundeliegendem Weltbild unterschiedlich.

  2. Dieser Artikel, und viele Themen auf meinem Blog beweisen, dass die Grundlage von moralischem Handeln nicht erst durch ein christliches Selbstverständnis erzeugt wird.

    Der Glaube einer gottesdienstlichen Religion ist ein Fron- und Lohnglaube (fides mercenaria, servilis) und kann nicht für den seligmachenden angesehen werden, weil er nicht moralisch ist. Dieser muß ein freier, auf lauter Herzensgesinnungen gegründeter Glaube sein.
    (Immanuel Kant, dt. Philosoph, 1724-1804)

  3. Also was du nicht alles über das Christentum glaubst? Äußerst verwunderlich. Seit wann will das Christentum das Monopol auf die Entstehung von Moral haben?

    Da hat Kant auch völlig Recht. Schade eigentlich, dass selbst so viele Christen sowenig ihren Glauben kennen. Denn würden sie ihn wirklich kennen, würden sie Kant frohen Herzens zustimmen können. Nichts anderes lehrt nämlich die Bibel.

    Genau deshalb lebe ich auch keine Religion – ich lebe eine Beziehung zum allmächtigen Gott.

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