Europäische Männer oder Memmen?

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Frau aus Zeitung beschimpf Leser
© Charly Lücker

Im Nachklang der Kölner Silvesternacht erschienen verschiedene Medienbeiträge, die sich mit dem Stand der Maskulinität deutscher und westeuropäischer Männer beschäftigen. Hier eine Auswahl davon:

zeit.de – Männlichkeit: O Mann
faz.net – Maskulinität in der Krise Ja warum prügeln sie sich denn nicht?
Die Welt – Der moderne Mann hat in Köln versagt
Die Welt – Hört auf zu jammern, deutsche Männer! Seid tapfer!
Mindestens noch ein TV-Beitrag mit einer dänischen Journalistin, welchen ich aber nicht verlinken werde, da er im russischen Propaganda-TV gesendet wurde. (Das, was dort gesendet wird, ist eh nur Müll.)

Als ich davon anfangs erfahren habe, habe ich mich gefragt, ob wir keine anderen, wichtigeren Probleme haben. Dann wurde ich jedoch darauf aufmerksam, dass gerade in christlichen Kreisen die in den Artikeln vorgebrachten Vorwürfe zustimmend diskutiert werden. Deshalb melde ich mich hier auch dazu zu Wort.

Der Vorwurf, der dort gemacht wird, ist, dass die westeuropäischen Männer zu weich wären und nicht in der Lage ihre Frauen zu beschützen. Russische Journalistinnen mutmaßen, dass bei einem ähnlichen Geschehen in Russland „die russischen Männer“ eine Straßenschlacht begonnen hätten, bei der sie auch Tote nicht ausschließen würden.
Ehrlich jetzt? Eine Straßenschlacht, evtl. sogar mit Toten? Das soll besser, „männlicher“ sein? Ich bin für mich der Ansicht, dass es kaum ein dämlicheres Verhalten von Männern geben könnte. Zudem geht der Vorwurf zu 100 % an der Realität der Silvesternacht in Köln und anderen Städten vorbei.
Man denke einmal kurz darüber nach, dass die anwesende Polizei, zusammen mit den wenigen dort anwesenden Männern nicht in der Lage waren, sich gegen diesen Mob zu wehren. Das lag aber eben nicht daran, dass sie alle zu feige oder zu weich dazu gewesen wären. Es waren einfach zu viele Angreifer! Da hätten auch russische Männer nicht mehr reißen können – egal wie Macho sie sich auch vorgekommen wären.

Welche Art von Männlichkeit wäre mit einer ausufernden Gewalt bewiesen worden? Doch lediglich eine männliche Dummheit, aber ganz sicher keine echte Maskulinität.
In einer Diskussion stellte man mir dazu eine Frage, die ich noch aus meiner Zivildienstprüfung kenne. Die Frage war damals dämlich, sie ist es auch heute noch. Die Frage war:

Machen wir es doch mal konkret: Angenommen, ich gehe mit einer Frau spazieren und sie wird plötzlich von arabischen Muslimen (nur mal als Beispiel) überfallen und verprügelt. Dürfte ich sie dann – notfalls auch mit Gewalt – verteidigen?

Meine Antwort darauf:

Zunächst einmal auf diese Weise (evtl. erkennst du dann schon wo deine Fragestellung bereits über deine Gesinnung berichtet)

[ Ironie on ] Da es ja arabische Muslime sind (und nicht etwa afrikanische oder asiatische, geschweige denn europäische) wirst du sie als guter Christ natürlich unter Einsatz deines Lebens völlig vernichten und dich danach an ihren Familien rächen. Pech, denn wären es deutsche Christen gewesen, die diese Frau überfallen und verprügeln, hättest du selbstverständlich gefragt, ob du ihnen noch ein paar Bier dazu besorgen sollst …. [ Ironie off ]

Deine Art der Fragestellung nennt man rassistisch motiviert – ich hoffe es fällt dir jetzt selbst auf. Welchen Unterschied macht es, wer eine Frau überfällt und verprügelt? Reicht nicht der Fakt, dass eine Frau überfallen und verprügelt wird? Macht es für dich einen Unterschied, wer sowas macht?

Weiter: Komisch? Du wirst verschont und stehst als Zuschauer neben dem Geschehen? Du hast volle Handlungsfreiheit? Du wirst nicht mit Gewalt daran gehindert einzugreifen? Wie ist das denn möglich? Halten die Angreifer dich für einen Komplizen? Bist du gar einer?

Weiter: Was ist dir hier wichtiger? Das Leben dieser Frau oder deines? Und wenn du dein Leben hier mittels Gewaltreaktion aufs Spiel setzt, wird die Situation für diese Frau damit besser oder gar schlechter? Wie viele Angreifer sind es, wie kampferfahren und wie kampferfahren bist du? Haben sie Waffen oder hast du gar welche?

Und überhaupt: Was sucht ihr eigentlich in dieser gefährlichen Gegend so ganz alleine?

Neben dem, dass die Frage damals in den 70ern schon oft fragwürdig in den Prüfungsausschüssen für Kriegsdienstverweigerer war – weil sie eben oft genug incl. dem rassistischen Zusatz (damals wurden halt Russen als Angreifer benannt) gestellt wurde – gibt es keine einfache Antwort auf diese Frage, was ich oben bereits angeschnitten habe. Es gibt es auch keine einfache Antwort auf die Frage, warum deutsche Männer diese Übergriffe nicht verhindern konnten. Zudem ist hier nicht die Frage, ob auch wir Christen uns in einem solchen Fall wehren dürfen – selbstverständlich dürfen wir das. Der Vorwurf, der uns an den Kopf geworfen wird, ist vielmehr, dass wir nicht in der Lage seien, uns zu wehren.

Was ist wirklich los mit manchen europäischen Männern? Lassen wir uns tatsächlich von solchen halbgaren Propagandasprüchen so aus der Spur tragen? Wollen wir ernsthaft wieder anfangen Gewalt auszuüben und Kriegshelden zu spielen, nur weil man uns vorwirft Jammerlappen zu sein? Unsere westliche Gesellschaft ist seit 1945 für einen stabilen Frieden verantwortlich, für Wohlstand und Freiheit. Und nun kommen da ein paar Leute, unter anderen aus Ländern, die froh wären, wenn sie solches nur annähernd bei sich umsetzen könnten, und werfen uns vor, keine Männer zu sein. Und fix sind sie zur Stelle, die Abnicker und beklagen sich selbst.
Mir scheint, dass vor allem die Männer sich diesen Schuh anziehen lassen, die tatsächlich mit ihrem Selbstbild als Mann zu kämpfen haben. Dass man solche in wesentlicher Zahl auch unter den Christen findet, ist angesichts der bereits beklagten verweiblichten Gottesdienstkulturen und einer oft falsch verstandenen Nachfolge Christi nicht gerade verwunderlich.
Immer wieder diskutiere ich mit Christen darüber, was tatsächlich als Christ ein Mann zu sein bedeuten kann. Immer wieder machen mich die spätpubertären Anwandlungen, mit denen ich dort oft konfrontiert werde, traurig und ich bin erschrocken darüber, wo so viele christliche Männer anscheinend in ihrer Reifeentwicklung stehen.

Es ist gut, dass wir im Moment in einer Zeit leben, wo Männer vermehrt anfangen sich Gedanken über echte Männlichkeit zu machen und warum sie sich wegen einer solchen vor Frauen nicht schämen müssen. Es ist gut, dass an vielen Stellen Vordenker deutlich machen, dass ein tumbes Kraftmeiertum einfach nichts mit echter Männlichkeit zu tun hat. Selbstverständlich gehört es zum Menschsein (nö, eben nicht nur zum Mannsein) dazu, dass man sich innerhalb eines vernünftigen Rahmens zu wehren weiß. Es ist keine neue Erkenntnis, dass ein kluger Kämpfer zuvor abschätzt, welches Verhalten das bestmögliche Ergebnis haben wird. Dies lehren nicht nur asiatische Kampfsportler, sondern sogar die Bibel:
Lu 14:31 Oder welcher König, der auszieht, um sich mit einem anderen König in Krieg einzulassen, setzt sich nicht vorher hin und ratschlagt, ob er imstande sei, dem mit zehntausend entgegenzutreten, der gegen ihn mit zwanzigtausend anrückt? 32 Wenn aber nicht, so sendet er, während er noch fern ist, eine Gesandtschaft und bittet um die Friedensbedingungen. (Rev.Elb.)

Mein Plädoyer ist daher, dass wir solch dumme Kommentare als ebensolche bezeichnen und uns bemühen, als Männer ein Selbstbewusstsein aufzubauen, welches mit Intelligenz gepaart ist und nicht nur ein Auswurf eins Testosteron-geschwängerten Machotums. Seien wir uns bewusst, dass unsere westliche Mentalität uns bisher eine so lange Friedens- und Wohlstandsperiode ermöglicht, wie es sie zuvor noch nirgends gab. Darauf dürfen wir mit Recht stolz sein. Unter anderem deshalb flüchten Menschen zu uns. Ich bin mir sicher, letztlich werden auch die Migranten, welche z. Zt. zu uns kommen, unsere Freiheit mehr zu schätzen wissen, als ihre Machokulturen. Also lasst die Dummen meckern, wir gehen weiter selbstbewusst voran.

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