Darf Satire wirklich alles?

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Satire darf alles ?
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Seit Tagen überschlagen sich die Medienberichte und auch diverse Blogs mit Meldungen und Meinungen zum Fall des Schmähgedichts von Jahn Böhmermann gegen den türkischen Präsidenten Erdogan. Fast jeder Kommentar dazu betont wie wichtig die freie Meinungsäußerung in unserem Lande ist und wie unmöglich das Ansinnen von Erdogan, das Böhmermann bestraft werden soll.

Die Kommentare sind überwiegend derart einseitig, dass ich mich nun doch auch mal dazu äußern will. Und eben erreicht mich zudem eine Aufforderung mich an einer Onlinepetition dazu zu beteiligen. Wie immer hat die ganze Geschichte mehr wie nur eine Seite. Deshalb meine ich nicht, dass es zu dem ganzen Vorfall nur eine Haltung geben kann.

„Was darf Satire? Alles!“ sagte Kurt Tucholsy einmal. Davon ausgehend meinen tatsächlich eine Unzahl westlich geprägter Menschen, dies wäre quasi ein in Stein gemeißeltes Gesetz. Doch stimmt das eigentlich? Darf Satire wirklich alles? Wer eine Behauptung eines einzelnen Menschen zu einem allgemein gültigen Gesetz machen will, muss sich fragen lassen, ob er es mit seinem eigenen Denken nicht allzu träge nimmt. Wenn Jemand – und sei es auch ein Kurt Tucholsky – eine Behauptung aufstellt, dann muss auch diese geprüft und hinterfragt werden.
Klare Antwort zu dieser Behauptung: Nein, auch Satire darf nicht alles, oder um es auch anders zu formulieren: nicht alles, was sich Satire nennt, ist auch eine.

War das Schmähgedicht, welches Jahn Böhmermann im TV vorgetragen hat überhaupt Satire? Ich sage deutlich: Nein, es war keine. Das was er als Satire getarnt vorgetragen hat, war eine Aneinanderreihung von Beleidigungen auf niedrigsten Level. Und deshalb genießt dieser Vortrag auch nicht den Schutz der Kunst oder der freien Meinungsäußerung.
Was? Da bist du anderer Meinung, verehrter Leser? Dann mach mal folgenden Toleranztest: Ersetze in dem Schmähgedicht den Namen Erdogan mit deinem eigenen Namen und frage dich, wie laut du dann noch nach Toleranz für Jahn Böhmermann rufst. Stell dir vor, Jemand sendet ein solches Gedicht als Rundmail an alle deine Freunde, Bekannten, Vorgesetzten, etc. Da bleibt dann nichts übrig von den Toleranzrufen, nicht wahr?
Im Gegensatz zu dem ebenfalls von Erdogan bemängelten Lied der Satiresendung „Extra3“, bezieht sich dieses Schmähgedicht auf keinen einzigen Fakt. Der gesamte Inhalt dieses Schmähgedichts Böhmermanns hat mit der Realität absolut nichts zu tun. Das Lied der Sendung „Extra3“ hat aber nur Fakten als Inhalt, bissig und scharf präsentiert. Deshalb darf diese konkrete Satire der Sendung „Extra3“ so scharf sein und Jahn Böhmermanns Gedicht nicht.

Damit bleibt, dass Jahn Böhmermann wissentlich eine andere Person beleidigt hat und dies zudem vor einem Millionenpublikum. Und das ist völlig zurecht strafbar! Und ja, er sollte dafür bestraft werden. Meiner Meinung nach mit einer empfindlichen Geldstrafe, nicht aber mit Gefängnishaft.
Und ja, so sollte an ihm auch ein Exempel statuiert werden, damit diversen Pöblern, die ihr übles Treiben unter dem Deckmantel der Satire ausüben, endlich wieder aufgezeigt wird, dass es auch in dieser Kunst Grenzen gibt. Weit gesetzte, das schon. Satire braucht einen großen Spielraum. Aber eben nicht unendlich.
Satire darf weh tun. Aber Satire muss konstruktiv und vor allem durch Fakten gespeist sein. Schlichte Beleidigungen sind keine Satire. Satire, die überhaupt keinen Bezug zur Realität hat oder sich durch starken Realitätsmangel auszeichnet (so wie überwiegend die „Satire“ von Charly Hebdo z.B.) ist nur primitive Pöbelei und nicht eines gesetzlichen Schutzes wert.
Tatsächlich schadet die Pöbelei unter dem Deckmantel der Satire vor allem der echten Satire. Gerade deshalb sollten Satiriker selbst sehr kritisch mit solchen Pöbeleien ins Gericht gehen – mit ihren Mitteln eben.

Und Erdogan?
Das ist die andere Seite der Geschichte. Die Reaktion und das Ansinnen Erdogans. Auch dazu habe ich eine klare Meinung.
Ich meine, dass die ihm gegenüber geäußerte Kritik, die auf sein Handeln und auf Fakten gestützt ist, völlig zurecht erfolgt.
Wenn er damit nicht leben kann, sollte er darüber nachdenken, ob er die richtige Person für dieses wichtige Amt ist. Ihm sei das Beispiel unserer Bundeskanzlerin Merkel empfohlen. Da kann er sehen, wie ein Politiker mit Format mit Kritik umgeht.
Und das türkische Volk sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob sie wirklich meinen, das dieser Präsident sie als Volk tatsächlich würdig vertritt.

Daher meine ich, dass es richtig ist, aufgrund dieser Geschichte international deutlich zu machen, dass auch Deutschland alleine entscheidet, ob es seine Bürger strafrechtlich verfolgt oder eben auch nicht.
Es ist richtig, einem solchen Politiker wie Erdogan deutlich Grenzen aufzuzeigen.
Es ist richtig die Meinungsfreiheit zu verteidigen.
Es ist aber ebenso richtig, dass Personen, die andere Personen derart beleidigen, in unserem Land eine strafrechtliche Verfolgung droht.
Es ist auch richtig, dass auch Künstler – insbesondere, wenn sie sich als Satiriker verstehen wollen – gezeigt wird, dass es auch für Satire Grenzen gibt.

Nach meiner Ansicht gibt es aber keinen Platz für diese oberflächlichen Hurrarufe in Richtung Jahn Böhmermann. Diese hat er nicht verdient und diese sind in keiner Weise förderlich oder unserer Freiheit dienlich.

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3 Gedanken zu „Darf Satire wirklich alles?“

  1. Für mich unerwartet gerade von Dieter Nuhr eine bemerkenswerte Reaktion:
    Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-kabarettisten-aeusseren-sich-zum-fall-a-1086815.html

    Ich halte Böhmermanns Gedicht für pubertär. Wo für mich die Grenzen der Satire überschritten sind? Da, wo es strafrechtlich relevant wird. Der Satz „Satire darf alles“ ist selbstverständlich falsch. Ein Satiriker darf genauso viel wie ein Klempner. Bei uns gilt – im Gegensatz zur Türkei übrigens – der rechtsstaatliche Grundsatz „Gleiches Recht für alle“. Ob ich die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Böhmermann befürworte? Das geht mich zwar nichts an, dennoch: nein. Ich würde das Verfahren wegen Nichtigkeit einstellen. Vielleicht kann Erdogan ein Gegengedicht schreiben. Da streiten sich zwei, bei denen man nicht weiß, wer es schlechter kann.“

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