Gott ist kein Marionettenspieler

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Gott als alter Mann mit langem Bart spielt mit einem Menschen, der als Marionette an einem Marionettenkreuz hängt.
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Über Freiheit, Verantwortung und unsere Bilder von Gott
Viele Menschen – auch gläubige Christen – neigen dazu, sich Gott wie einen Marionettenspieler vorzustellen. Ein Gott, der jedes Ereignis lenkt, jede Entscheidung bestimmt, jeden Schritt unseres Lebens vorplant. So suchen viele Christen fast schon fanatisch danach, immer den Willen Gottes für ihr Leben zu erkennen, um nur nicht „aus seinem Plan“ herauszufallen. Sie sehen in vielem, wenn nicht allem das vorhersehende Handeln Gottes, der ihr Leben lenkt. Wenn manches nicht gut verläuft, in Krankheit, Schicksalsschlägen, sogar bei Naturkatastrophen fragen sie sich, was wohl der Plan Gottes darin sein mag. Wenn jemand im letzten Moment den Flug verpasst und das Flugzeug später abstürzt, heißt es dann: „Gott hat ihn gerettet.“ Oder wenn ein Traumjob doch nicht klappt: „Gott wollte, dass es nicht sein soll.“  So tröstlich oder einfach fromm solche Sätze auf den ersten Blick klingen mögen – sie transportieren ein Gottesbild, in dem der Mensch kaum mehr Verantwortung trägt und in dem Gott jedes Detail des Lebens steuert wie ein Puppenspieler seine Figuren.
Doch dieses Bild greift zu kurz – es wird dem Wesen Gottes nicht gerecht.

Unsere Gottesbilder – Spiegel unserer Sehnsüchte und Ängste
Wie wir Gott sehen, prägt unser Verhältnis zu ihm – und oft auch unser Handeln. Die Vorstellung vom Marionettenspieler ist nur eines von vielen Gottesbildern, die Menschen im Lauf der Zeit entwickelt haben. Manche sehen in Gott den strengen Richter, der Sünde hart bestraft. Andere sehen den liebenden Vater, der immer verzeiht. Wieder andere stellen sich Gott als fernen, unnahbaren Schöpfer vor, der die Welt zwar erschaffen hat, sich aber nicht mehr in sie einmischt.
Solche Bilder entstehen aus unserer Kindheitsprägung in Bezug auf unsere Eltern, persönlichen Erfahrungen, kulturellen Einflüssen oder religiöser Prägung. Sie können trösten – oder Angst machen. Sie können helfen, Gott besser zu verstehen – oder uns einengen, uns sogar quälen. Darum ist es wichtig, unsere Gottesbilder zu hinterfragen: Sind sie Ausdruck unseres Glaubens – oder Projektionen unserer Ängste und Wünsche?
Gerade das Bild vom Marionettenspieler entsteht oft aus dem Wunsch nach Sicherheit. Wenn Gott alles steuert, dann hat alles einen Sinn – auch das Leid. Doch gleichzeitig raubt uns dieses Bild unsere Freiheit und Verantwortung. Es macht uns zu Spielfiguren statt zu Mitgestaltern.

Die Bibel erzählt anders von Gott.
Die Bibel zeigt uns ein anderes Bild: Gott, der den Menschen in Freiheit erschafft.
1 Mose 1:26 Und Gott sprach: Laßt uns Menschen machen in unserm Bild, uns ähnlich! (Rev.Elb.)
Schon im Garten Eden wird deutlich – der Mensch hat die Möglichkeit zu wählen. Liebe, Vertrauen, Gehorsam – all das ist nur dann echt, wenn es freiwillig geschieht. Gott gibt uns Verantwortung, Entscheidungsfreiheit – mit all den Konsequenzen, die daraus folgen. Genau das unterscheidet den Menschen in der Schöpfung, das bedeutet nach dem Bilde Gottes erschaffen zu sein. Die Freiheit und auch die Möglichkeit, sich für oder gegen Gott und seinem Wünschen und Willen zu entscheiden. Das macht uns zu einem Gegenüber von Gott. Es macht uns nicht zu Göttern, aber zu einem Gegenüber für Gott, welches nicht immer nur das tun wird, was Gott will. Wäre Gott ein Marionettenspieler, wären wir keine echten Gegenüber, keine Partner im Dialog. Unsere Entscheidungen wären bedeutungslos, unser Glaube eine bloße Reaktion auf gezogene Fäden. Doch Gott respektiert unsere Freiheit – selbst dann, wenn wir uns gegen ihn entscheiden und die Konsequenzen daraus für uns schlecht bis verheerend sein können. Er zwingt sich niemandem auf, er manipuliert nicht, er kontrolliert nicht wie ein Puppenspieler seine Figuren.

Freiheit bedeutet Verantwortung
Gerade weil Gott uns Freiheit schenkt, überträgt er uns auch Verantwortung: für unsere Entscheidungen, für unser Handeln, für den Umgang mit anderen Menschen und mit der Schöpfung. Diese Verantwortung ist kein Fluch, sondern ein Ausdruck unserer Würde. Gott traut uns etwas zu. Er gibt uns nicht fertige Antworten, sondern lädt uns ein, mit Herz und Verstand zu handeln – im Vertrauen auf ihn. Darin zu wachsen und zu reifen bedeutet Jüngerschaft, Nachfolge Jesu. Davon spricht Johannes, wenn er folgendes schreibt:
1 Johannes 2:12 Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen. 13 Ich schreibe euch, Väter, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist. Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, weil ihr den Bösen überwunden habt. 14 Ich habe euch geschrieben, Kinder, weil ihr den Vater erkannt habt. Ich habe euch, Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist. Ich habe euch, ihr jungen Männer, geschrieben, weil ihr stark seid und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr den Bösen überwunden habt. (Rev.Elb.)
Wenn wir versagen oder Schuld auf uns laden, heißt das nicht, dass Gott „die Fäden falsch gezogen hat“. Es bedeutet, dass unsere Freiheit real ist – und damit auch unsere Verantwortung. Gleichzeitig bleibt Gott da – nicht als strafender Puppenspieler, sondern als barmherziger Begleiter, der auf Umkehr hofft und Vergebung schenkt.

Beziehung statt Steuerung
Das bedeutet nicht, dass Gott sich aus allem heraushält. Im Gegenteil: Er begleitet, er wirkt, er spricht – aber nie über unsere Köpfe hinweg. In der Bibel wird Gott als der gute Hirte beschrieben, der führt, nicht zwingt. Als der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn, der wartet – geduldig, voller Liebe, mit offenen Armen.
Gottes Handeln ist Beziehung, nicht Steuerung. Er will keine ferngesteuerten Wesen, sondern Menschen, die ihm aus freiem Herzen folgen. Gerade in dieser Freiheit liegt unsere Würde – und Gottes tiefer Respekt vor seiner Schöpfung.
Genau das ist das Wesen echter Liebe, dass sie uns und unseren Willen akzeptiert, auch wenn dieser uns irreleitet.
1 Johannes 4:16 Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. (Rev.Elb.)
Heute wird das zu oft von einer romantisierten Vorstellung von Liebe verdeckt, ja sogar karikiert. Die Beziehung zwischen uns Menschen wird durch diese Form der Liebe boykottiert, ja oftmals auch zerstört. Diese romantisierte Vorstellung von Liebe hat mit der echten Liebe wenig bis nichts gemein.

Fazit
Gott ist kein Marionettenspieler. Er ist auch nicht in ein einziges Gottesbild zu fassen. Unsere Vorstellungen von Gott sagen oft mehr über uns selbst als über ihn. Umso wichtiger ist es, immer wieder auf die biblische Botschaft zu hören – auf den Gott, der liebt, begleitet, Freiheit schenkt und Verantwortung ernst nimmt.
Wir sind keine Marionetten – wir sind Geschöpfe mit freiem Willen, berufen zur Mitgestaltung, getragen von Gnade.
Das bedeutet auch, dass wir uns unseren eigenen Entscheidungen, unserem Versagen, unseren Sünden stellen müssen.
1 Johannes 4:9 Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, daß Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben möchten. 10 Hierin ist die Liebe: nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden. (Rev.Elb.)

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2 Gedanken zu „Gott ist kein Marionettenspieler“

  1. dein Satz „Gott ist kein Marionettenspieler“ hat mich beschäftigt – mehr, als ich erwartet hätte. Es hat etwas in mir angestoßen. Eine Mischung aus Nachdenken, Unruhe und auch ehrlichem Ringen.
    Zunächst einmal: Ich stimme dem zu. Ein Gott, der jede Entscheidung vorwegnimmt, jede Handlung lenkt, jede Bewegung kontrolliert – das wäre für mich kein Gott, dem ich vertrauen könnte. Denn wo totale Lenkung ist, bleibt kein Raum für Freiheit. Und ohne Freiheit – wie kann es da noch Liebe geben?
    Aber je tiefer ich darüber nachdenke, desto komplexer wird es. Der Satz klingt einfach, fast beruhigend: „Gott ist kein Marionettenspieler.“ Aber was bedeutet das wirklich? Und wie konsequent leben wir diesen Gedanken durch?
    Ich merke, dass ich mich davor fürchte, von außen gesteuert zu werden. Wenn jemand – sei es Mensch oder Gott – mir sagt, wie ich zu sein habe, wie ich mich zu verhalten habe, was „richtig“ ist, dann löst das in mir Widerstand aus. Vor allem dann, wenn es im Namen des Glaubens geschieht. Ich habe erlebt, wie Menschen in religiöse Muster gepresst wurden. Wie der Glaube als Werkzeug verwendet wurde – nicht zur Befreiung, sondern zur Kontrolle.

    — Gedankeneinschub —
    „Du musst…“ – „Du sollst…“ – „Du bist…“
    Diese Sätze begegne(te)n mir immer wieder – in Predigten, in Gesprächen, in fromm klingenden Ratschlägen. Und doch tragen sie für viele von uns eine Last in sich, die kaum jemand von außen sehen kann. Denn das sind oft nicht einfach neutrale Worte. Es sind Worte, die sich tief eingebrannt haben. Worte, die uns sagen wollten, wie wir zu sein haben.
    Es sind Worte, nicht immer laut oder gewalttätig – aber manipulativ, kontrollierend, übergriffig.
    Sie sollten formen, gefügig machen, das Gewissen binden – nicht um zu befreien, sondern um zu beherrschen.
    Wenn jemand im Namen Gottes sagt:
    • „Du musst glauben, sonst liebt dich Gott nicht.“
    • „Du bist sündig, weil du zweifelst.“
    • „Du sollst dich unterordnen, sonst bist du nicht gehorsam.“
    Dann ist das keine gute Botschaft. Dann ist das geistlicher Druck – und manchmal geistlicher Missbrauch.
    Ich glaube nicht, dass Gott so spricht.
    Wenn wir sagen: Gott ist kein Marionettenspieler, dann müssen wir uns auch fragen:
    Wer spielt denn dann manchmal Marionettenspieler – im Namen Gottes?

    Ein Gott, der wirklich liebt, spricht anders.
    Er sagt nicht: „Du musst!“ – er fragt: „Willst du?“
    Er sagt nicht: „Du bist falsch!“ – er erinnert uns daran: „Du bist mein Kind.“
    Er sagt nicht: „Du sollst dich ändern, um geliebt zu werden.“ – er sagt: „Ich liebe dich – so wie du bist.“
    Gott lädt ein, er zwingt nicht.
    Er begleitet, aber er überfährt nicht.
    Er hält den Raum offen, damit ich selber denken, fühlen und glauben darf – nicht aus Zwang, sondern aus echter innerer Überzeugung.

    — Einschub Ende —

    Wenn Gott wirklich kein Marionettenspieler ist, dann darf ich frei denken. Ich darf Fragen stellen, zweifeln, eigene Entscheidungen treffen. Dann ist Glaube keine Einbahnstraße, kein Korsett – sondern ein Weg, auf dem ich begleitet werde.
    Aber gerade hier wird es auch schwierig: Wenn Gott begleitet, nicht steuert – bedeutet das, dass er auch zulässt, dass ich falle? Dass ich mich irre, sogar gegen ihn entscheide?
    Die ernste Antwort scheint zu sein: Ja. Denn echte Freiheit beinhaltet auch das Risiko der Ablehnung.
    Es stellt sich die Frage: Wenn ich mich einmal für Gott entscheide – warum lässt er dann zu, dass ich ihn wieder aus den Augen verliere wenn er ein lenkender Gott wäre?
    Manchmal habe ich mich in solchen Phasen gefragt, ob ich versagt habe. Aber heute glaube ich: Nicht ich habe versagt – ich habe nur vergessen. Gott ist nicht gegangen. Ich habe ihn vielleicht nur nicht mehr gesehen. Das ist ein großer Unterschied.
    Wir sind Menschen, nicht Maschinen. Und ein liebender Gott wird das wissen – und uns gerade deswegen nicht festhalten wie Puppen an Fäden.
    Ein Marionettenspieler führt alles sichtbar – er lenkt mit äußerer Kraft. Aber ein liebender Vater, ein Freund, ein Begleiter – der bleibt oft im Hintergrund. Er sieht, was ich nicht sehe, er kennt Wege, die mir verborgen bleiben, aber er entscheidet sich, nicht über meinen Kopf hinweg zu handeln.
    Manchmal frage ich mich auch: Wenn Gott wirklich alles führt, wenn nichts außerhalb seines Plans geschieht – ist er dann nicht auch mitverantwortlich für das, was zerstört? Für das, was verletzt?
    Ich finde keinen einfachen Weg aus dieser Frage. Aber vielleicht ist die Antwort, dass Gott nicht alles führt, sondern alles begleitet. Dass er nicht jede Katastrophe geplant hat, aber in jeder Katastrophe gegenwärtig ist. Nicht als Ursache, sondern als Mit-Trauernder, Mit-Gehender, Mit-Heilender.
    Auch der Teufel kommt in diese Gedanken hinein: Wenn es einen Gegenspieler gibt – ist er dann auch gelenkt – oder lenkt der Teufel selber? Wird das Böse von Gott zugelassen – oder gar genutzt? Ich kann das nicht klar beantworten. Aber für mich ist der Teufel kein Gegen-Gott, keine gleichmächtige dunkle Macht, sondern eher ein Bild für Versuchung, für Zerstörung, für das, was sich gegen das Leben richtet. Und dennoch: Nicht alles Leid ist teuflisch.
    Ich wünsche mir einen Glauben, der mir nicht vorschreibt, sondern einlädt. Einen Gott, der nicht sagt „Du musst!“, sondern fragt: „Möchtest du?“. Einen Weg, auf dem ich selber Schritte machen darf – nicht als Prüfung, sondern als Möglichkeit zur Reife.
    Vielleicht ist das, was mich wirklich beschäftigt, nicht die Frage, ob Gott ein Marionettenspieler ist – sondern ob wir als Menschen einander manchmal Ihn zu solchen machen wollen.
    Ich wünsche mir, dass Glaube ein Raum bleibt, in dem man atmen kann. In dem Gott nicht die Fäden zieht, sondern die Hände reicht.
    Gott ist kein Marionettenspieler.
    Aber zu oft wurden Menschen im Namen Gottes zu Marionetten gemacht.
    Es ist Zeit, die Fäden zu kappen – nicht um gottlos zu leben, sondern um frei glauben zu können.

    Danke, dass du diesen Gedanken angestoßen hast. Vielleicht ist das erst der Anfang eines Gesprächs, das tiefer gehen darf.

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