Salafisten in Mönchengladbach X

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© RP-Online / Charly Lücker

Anlässlich dessen, dass nun auch in Mönchengladbach der Koran kostenlos verteilt wurde, habe ich mir diese Aktion aus der Nähe betrachtet. Ich war mir nicht sicher, was ich zu erwarten hatte. Immerhin hat die „Partei“ „ProNRW“ am selben Morgen in einem anderen Stadtteil Mönchengladbachs ihre Provokation, die als Wahlveranstaltung getarnt wurde, durchgezogen, bevor sie nach Krefeld weitergezogen ist. Erfreulicherweise kam es wenigstens dort zu keinerlei Ausschreitungen, wie in Solingen oder in Bonn, dafür aber zu einer massiven Präsenz von Gegendemonstranten. Ebenso friedlich und weitaus unspektakulärer verlief die Koranverteilaktion in der Innenstadt.

Zum einen fand ich einen Infostand vor, an dem der Koran kostenlos weitergegeben wurde, ihm gegenüber eine kleinere Anzahl Vertreter der Bürgerinitiative gegen die Salafisten, die Informationszettel verteilten. Unter ihnen auch Wilfrid Schultz, der nun zur Landtagswahl angetreten ist.

Ich konnte wieder problemlos mit manchen Salafisten freundliche Gespräche führen. Wilfrid Schultz hingegen, verweigerte mir ein Gespräch, weil er einen Artikel von mir nicht gut gefunden hat. Nun ja, er hätte ja nun Gelegenheit gehabt mir zu zeigen, dass er ein intelligenter, informierter und allen Bürgern gegenüber offener Politiker und kompetenter Diskussionspartner sein möchte. So allerdings bleibt es bei dem Eindruck, welchen er durch sein Auftreten und seine Schriften vermittelt. Immerhin hatte ich einen der Informationszettel von der BI erhalten. Inhalt war das übliche, wenig informative aber umso engagierter Geschriebene, was man von W. Schultz so kennt.

Kein Hartz IV für Salafisten?
Es gäbe eine Menge zu dem Inhalt des Pamphlet der BI zu sagen, was ich allerdings als müßig empfinde. Auf eine Forderung möchte ich jedoch näher eingehen, weil sich einzelne Medienvertreter und Politiker darin auch fleißig ergehen.
Die Forderung, dass keinem Salafisten Hartz IV-Bezüge oder andere Sozialleistungen zustehen dürfe.
Ähnlich äußerten sich auch diverse Medien, Politiker und andere Vertreter der Öffentlichkeit in Bezug auf den Umstand, dass der Initiator dieser Koran-Verteilaktion mit seiner Familie von HartzIV lebt.

Wie so oft sollte man bei solchen Stammtischparolen, die allzu gerne in den Medien, besonders vor anstehenden Wahlen, breitgetreten werden, einfach einmal weiterdenken:
Wie genau soll dass denn aussehen, das Salafisten diese Sozialbezüge verweigert werden? Führen wir nun eine Gesinnungsprüfung zu der Antragsstellung dieser Bezüge ein, in der festgestellt wird, ob der Antragsteller auch über eine „rechte Gesinnung“ verfügt? Immerhin gäbe es ja genügen Vorbild in den zwei Regimen, die fast 60 Jahre lang in Deutschland ihr Unwesen trieben. Sollen zur Sicherstellung der Angaben bei der „Gesinnungsprüfung“ wieder Blockwarte oder gar eine Stasi eingesetzt werden? Und wenn wir schon einmal dabei sind, warum bei Salafisten aufhören? Da können wir doch gleich einen ganzen Katalog weiterer Ansichten hinzufügen, die nach der Meinung der Stammtischpolitiker kein Anrecht auf Sozialbezüge haben sollten. Genügend beispielhaftes Material dazu gäbe es ja noch aus der DDR-Vergangenheit zu finden.

Haben solche Propagandisten eigentlich schon von der bedeutenden Errungenschaft zivilisierter Staaten gehört, die sich „Europäische Menschenrechtskonvention“ nennt? Darin findet sich unter anderem:
Artikel 9 / Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
(1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.

(2) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Artikel 10 / Freiheit der Meinungsäußerung
(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

(2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.

Artikel 14 / Diskriminierungsverbot
Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.“

Und da gibt es noch die EU-Grundrechtcharta:
„In der Grundrechtecharta gibt es neben dem allgemeinen Gleichheitsgebot des Artikel 20, der die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert, spezifische Diskriminierungsverbote in Artikel 21 und 23. Artikel 21 enthält ein umfassendes Verbot der Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ (Quelle: Wikipedia)

Genau dieses radikale Bekenntnis zu den Menschenrechten hebt unser Land und Europa gegenüber den Ländern mit (radikal-)islamischen Grundordnungen hervor. Wer diese Menschenrechte aufgrund der Zugehörigkeit der, eigentlich unmöglich scharf abzugrenzenden, Gruppe der Salafiten begrenzen oder verweigern will, outet sich als ein Gesinnungsterrorist, der letztlich genau das will, was er den Salafisten vorwirft. Allerdings berufen sich Salafisten hier auf die Jahrhunderte alte Scharia, die die Grundlage islamischer Staaten bildet, von der sich die freien Staaten via der gemeinsamen Menschenrechte ja abheben wollen. Deutsche Polemiker hingegen werden sich schwer damit tun, für ihre Stammtischparolen rechtliche Grundlagen zu finden.

Bleibt noch festzustellen, dass in dem Hartz IV-Gesetz ausreichend Sanktionsmöglichkeiten eingebaut wurden, wenn die Sozialbezüge missbräuchlich bezogen werden – bis hin zur möglichen Strafverfolgung aufgrund von Betrug. Wozu bitte brauchen wir dann noch solche Stammtischpatrioten, mit solchen, wenig intelligenten Parolen?
Des weiteren werden die Salafiten bereits durch den Verfassungsschutz beobachtet. Warum reicht dies alles solchen Polemikern nicht?

Geht denn nun Gefahr von den Salafisten aus?
Innenminister Friedrich warnt aktuell davor, dass von den Salafisten Gefahr für unser Land ausgeht. Er betrachtet die Salafisten als „Keimzelle des islamischen Terrors“. Bemerkt aber es gelte der Satz: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist, aber fast jeder islamistische Terrorist hat einen irgendwie gearteten salafistischen Bezug“
Ich finde solche Aussagen schwierig, weil eigentlich eine Gruppe der Salafisten nicht scharf genug einzugrenzen ist. Der Begriff: „Salafist“ ist eine deutsche Erfindung und geht auf den arabischen Begriff „Salafiyya“ zurück. Im Selbstverständnis bezeichnet der Ausdruck eine geistige Rückbesinnung auf die „Altvorderen“ (arab. Salaf ‚Vorfahren‘). (Quelle: Wikipedia) Als Nachfolger dieser Vorfahren werden sich allerdings eine große Menge der Moslems bezeichnen. Innerhalb des Salafismus gibt es zudem mehrere Strömungen. Nicht alle sind gewaltbereit oder als islamistisch einzuordnen.

Geht meiner Meinung nach eine Gefahr von der fundamentalistischen Haltung der Salafisten aus? Ja! Allerdings nicht unbedingt von der fundamentalistischen Überzeugung selbst, sondern von verschiedenen Predigern, die diese vertreten. (Ich habe das in meinen Artikeln auf diesem Blog schon mehrfach geschrieben!)  Ich meine, dass es ein Gefahrenpotential in dieser, wie auch in anderen, fundamentalistischen Gruppe gibt und wir als Staat gut tun, wenn wir dieses Potential genau beobachten.
Aber die Formel: „Jeder Salafist = ein Terrorist“ stimmt eben nicht. Allerdings stimmt die Formel: „Dialog geht vor Ausgrenzung“.
Eben dieser Dialog fällt angesichts der Menge der Polemiker und Stammtischpolitiker sichtbar schwer. „ProNRW“ und gewaltbereite Salafiten führen uns gerade mit ihrer Provokationstour und der gewaltsamen Reaktion darauf deutlich vor, welches Niveau man betritt, wenn man sich einem Dialog verweigert. Da sollte doch mancher Polemiker mal ins Nachdenken kommen.

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5 Gedanken zu „Salafisten in Mönchengladbach X“

  1. Nachdem der Innenminister sich öffentlich der irrigen Phantasie hingibt, er könne glatt alle Salafisten(vereine) in Deutschland rundweg verbieten, widersprechen endlich auch Stimmen der Vernunft in aller Öffentlichkeit.
    Beispiele:
    Frankfurter Rundschau „Schluss mit der Islam-Hetze!“
    tagesschau.de „Eine zwiespältige Angelegenheit“
    Audio-Kommentar auf WDR2

    Wenn die deutsche Politik so pauschal handeln will, tut sie zweierlei:
    – sie gibt dem salafistischen Extremismus eine überhöhte Aufmerksamkeit
    und
    – sie verhält sich genau so diskriminierend, wie sie es den Salafisten vorwirft

    Auf den verschiedenen TV-Aufnahmen der Ausschreitungen in Solingen und Bonn kann jeder, der seinen Verstand nicht völlig vernebelt hat, sehen, dass sich in den Ausschreitungen sogar Salafisten selbst gegen die Gewalttäter gerichtet haben und diesen Einhalt gebieten wollten. Selbst diese, offensichtlich nicht gewaltbereiten, Salafisten sollen gleich mit diskriminiert werden, weil sich Politiker mit Stammtischsprüchen und fischen am rechten Rand unserer Bevölkerung Wahlstimmen erhoffen? Das kann und darf nicht sein!

  2. Ich habe den Betreiber des Bloggs am Stand getroffen….er hat seine eigene Meinung welcher er im Gegensatz zu anderen sachlich begründen kann….
    Wenn Sie interesse haben, wir sind morgen am Marienplatz.am 16 Uhr.Sie dürfen gerne vorbei schauen Herr Lücker für einen kleinen Dialog.
    Ich finde Ihre Argumentationen und Meinungen sehr fair und sachlich…
    MFG

  3. Ein interessanter Filmbeitrag, der im ZDF-Info gelaufen ist. „Forum am Freitag – Härtetest für die Demokratie. Wie gehen die muslimischen Verbände mit den Salafisten um? Kamran Safiarian fragt Ali Kizilkaya vom Koordinierungsrat und Nurhan Soykan vom Zentralrat der Muslime.“

  4. 10 Jahre Islamforum: Nicht alle Salafisten in einen Topf werfen

    Zitate:
    Das Deutsche Islamforum befürwortet ein Verbot radikaler Salafisten, warnt aber gleichzeitig davor, alle Anhänger dieser Bewegung in einen Topf zu werfen. Dadurch bestünde die Gefahr, dass sich auch gemäßigte Anhänger radikalisierten, sagte Jürgen Micksch, Moderator des Deutschen Islamforums, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa)….
    Micksch schätzt die Gruppierung, „zu der besonders viele Deutsche gehören“, so ein: „Es gibt die religiös geprägten Salafisten – die sind gesellschaftlich unproblematisch. Dann gibt es politisch aktive Salafisten mit höchst problematischen Einstellungen – mit denen muss man sich auseinandersetzen. Und dann gibt es eine kleine Gruppe von gewaltbereiten Salafisten – die müssen isoliert werden.“

    Ein Dialog mit der Mehrheit der Salafisten sei möglich und nötig. Mit den Gewaltbereiten machten Gespräche keinen Sinn, „die müssen ausgegrenzt werden. Da ist es auch angemessen, dass der Staat so reagiert“.

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