
Vorab: Ich kann dieses Thema hier nur anreißen. Um es ausführlich zu betrachten, bedarf es wenigstens eines Buches. Dies würde einen solchen Blog wie diesen aber völlig überfrachten.
In dieser Zeit ist zu beobachten, dass eine starke Polarisierung – auch in politischer Hinsicht – unter und durch Christen vorangetrieben wird. Darum werfe ich hier einen vertieften Blick darauf, woran wir erkennen können, wer sich als Christ noch auf dem Weg der Nachfolge Jesu befindet und droht, davon abzuweichen.
Der Weg der Nachfolge Jesu muss sich, nach dem Vorbild Jesu, zwangsläufig durch Liebe geprägt in einer Hinwendung zu den Menschen und dem Abbau von Vorverurteilungen auszeichnen. Doch auch das nicht ohne Abgrenzungen von Meinungen und Lebensarten. Diesen Weg zu gehen ist schwierig genug und kann letztlich nur an der Hand Gottes mehr und mehr gelingen.
Schon immer stand diese Nachfolge Jesu für Christen unter beständigem Beschuss. Dieser kommt sowohl von geistlicher Seite, im Kampf gegen den Widersacher Gottes, als auch von der weltlichen Seite, im Kampf der Meinungen und Kulturen. Momentan ist hierin die starke und auch ungesunde polarisierende Entwicklung unübersehbar geworden. Denn dies geschieht immer mehr innerhalb der weltweiten Wahrnehmung und medialen Berichterstattung. Auch angefeuert durch den Populismus der politisch extremen Lager zu beiden Seiten. Polarisierung unter uns Menschen führt unweigerlich zum Hass und dessen grausamen Ergebnissen. Die Verführung liegt hier im Unterschied zwischen einer gesunden Abgrenzung und der Polarisierung. Die Abgrenzung soll den Dialog kreativ befruchten und lässt unterschiedliche und gleichzeitig viele Standpunkte zu. Eine Polarisierung führt hingegen zunehmend zur Bekämpfung des anderen, der eine abweichende Meinung vertritt. Die Polarisierung reduziert die Vielfalt der Meinungen auf zwei Pole, die einander gegenüberstehen, und bezweckt das Ende des kreativen Dialogs, hin zum Bekämpfen des vermeintlichen Feindeslagers.
Wie geraten Christen in diese Hass-Falle des christlichen Populismus?
Ich möchte hier aufzeigen, wie dieser Populismus innerhalb der christlichen Gemeinschaft zu einer Falle wird, die im Hass endet, obwohl auf den ersten Blick alles doch so fromm und richtig erscheint.
Dazu nutze ich sechs Merkmale des Populismus, wie man sie unter uns Christen finden kann.
1. Populisten geben sich als gläubige Christen aus, die sich bemühen, zusammen mit uns anderen Christen den vermeintlich richtigen Weg der Nachfolge Jesu gehen zu wollen.
In der Regel verstehen sich diese Christen auch als solche Nachfolger Jesu. Ihre ursprüngliche Motivation mag zumeist tatsächlich gute Absichten verfolgen. Auch ihre ursprüngliche Hinwendung zu Gott, ihre Bekehrung, mag echt gewesen sein. Möglicherweise war es jedoch eine Bekehrung zu einer Religion und keine Hinwendung zu einer gelebten Beziehung mit Gott. Was ihnen fehlt, ist die Durchdringung ihres Lebens und ihrer Ziele durch den Heiligen Geist. Sie verfolgen ihre Ziele nicht durch die Leitung und in der Kraft des Geist Gottes. Stattdessen wählen sie menschliche, weltliche Strategien und verpacken diese in christlichem Jargon. Solche beherrschen die Lebensart, wie sie unter Christen gepflegt werden, meist nahezu perfekt. Denn sie leben oft schon lange in den Gemeinden.
Christliche Populisten verstehen und vermitteln sich als Gleiche unter Gleichen – sie sind es aber nicht.
2. Populisten vereinfachen komplexe Sachverhalte
Der Populismus beschäftigt sich niemals mit komplexen Themen, die unter anderen, ebenso komplexen, einzuordnen sind. Es werden einzelne Themen herausgegriffen, die besonders emotional besetzt sind. Das sind keine Kernthemen aus der Bibel, sondern dort eher Randthemen. Heute werden insbesondere Themen wie Abtreibung, Ausländer, Kulturunterschiede und traditionell Sexualität betont.
Diese Themen werden in ihrer Relevanz überhöht dargestellt. Es geht eigentlich nicht mehr um ein Verstehen und einem konstruktiven Austausch darüber. Es geht nur noch um ein richtig / biblisch oder falsch / weltlich. Auch die Betrachtung dieser Themen in der Bibel ignoriert die Komplexität, mit der sie dort betrachtet werden. Bibelstellen werden zitiert, ohne ihren Kontext zu beachten. Sowohl ihren
- unmittelbaren Textkontext
- dem Gesamtkontext in der ganzen Bibel
- den Kontext der Situation, in denen sie ausgesprochen wurden
- als auch in dem Kontext des Themas, welches diese biblischen Aussagen vertiefen wollen.
- Ebenso werden die sprachlichen Probleme, die sich in der Übersetzung aufzeigen, schlicht ignoriert oder gar durch Bezüge auf die ursprünglichen Worte aus dem Grundtext des Wort-Gottes tendenziös neu übersetzt.
Diese Bibelstellen werden ausgewählt, weil sie vermeintlich das Schwarz-Weiß-Bild des Populismus unterstützen.
Der Effekt zeigt sich darin, dass die Christen wähnen hier auf gutem, biblischen Boden zu sein und vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Fragen besitzen. Darüber bedarf es dann auch keiner ausführlicheren Diskussionen mehr, weil ja das Wort Gottes nicht in die Irre, sondern immer nur zur „Wahrheit Gottes“ führen kann, die man nun für sich meint, verstanden zu haben.
3. Populisten bauen Feindbilder auf
Als Grundlage für die Polarisierung, werden Bibelstellen angeführt, die uns zur Abgrenzung von der Welt auffordern. Da diese oft ebenfalls starke Formulierungen benutzen, werden diese auch überhöht und als Grundlage eines geistlichen Krieges dargestellt.
Vornehmlich soll dies ein Kampf gegen geistliche Mächte sein, wie in Epheser 6 beschrieben. Tatsächlich richtet sich dieser Kampf jedoch zunehmend gegen Systeme sowie auch Gruppen und Personen. Diese würden eine „falsche Weltsicht“ vertreten, die durch den Einfluss des „Herrschers dieser Welt“, Satan, verblendet und so zu „Feinde des Evangeliums“ wurden. Nicht nur in der Kirchengeschichte wurde dies auch mit Waffengewalt versucht. Laut dem Neuen Testament wurden die Juden, die in ihren Synagogen die Botschaft des Evangeliums ablehnten und die Christen verfolgten, als solche bezeichnet. Nur diese Juden, nicht die, welche sich dem Evangelium gegenüber offen zeigten oder die Christen unter sich tolerierten. Weiter waren Irrlehrer und falsche Propheten, die unter den Christen auftraten, auch „Feinde des Evangeliums“. Von beiden Gruppen sollen die Christen sich distanzieren, nicht aber sie richten und bekämpfen.
Manche christlichen Gruppen vertreten sogar die Ansicht, dass diese Welt, durch den geistlichen Kampf aufrechter Christen, so christianisiert werden soll, damit Jesus in eine so vorbereitete Welt wiederkommen kann – was völlig dem widerspricht, was die Bibel voraussagt.
Tatsächlich beschreibt Epheser 6 den Kampf, den Christen für sich und gemeinsam innerhalb der christlichen Gemeinschaft führen sollen – nicht gegen die Welt. Die dort genannten Rüstungsmerkmale beschreiben alle eine Lebenseinstellung und keinen Krieg gegen Menschen und Kulturen. An keiner Stelle des Neuen Testaments werden wir Christen dazu aufgefordert, diese Welt zu verändern, außer durch das Leben aus der Beziehung zu Gott und der Verkündigung des Evangeliums. Durch Mission sollen wir Menschen für das Evangelium gewinnen und nicht bekämpfen.
4. Populisten idealisieren die Christen und drängen sie in eine Opferrolle
Da dieser Kampf ohne Auftrag keine durchschlagende Wirkung zeigt, werden Christen nun als Ziel und Opfer der Verfolgung dargestellt. Und tatsächlich erleben Christen weltweit mehr oder weniger Diskriminierung bis hin zu echter Verfolgung. Das wurde auch von Jesus so vorausgesagt. Angesichts dieser Verfolgung werden wir Christen im Neuen Testament aufgefordert, unseren Blick auf Gott zu richten. Er verheißt uns, dass Er inmitten dieser Verfolgung mit uns sein wird und uns auch Bewahrung schenken will. Bereits die ersten Christen und Apostel wurden aufgrund ihres Glaubens getötet. Wir werden jedoch nicht zur Gewalt, nicht einmal zur verbalen Gewalt aufgefordert. Vielmehr werden wir zur Demut vor und zur Hoffnung in Gott aufgefordert. Es gilt das Wort Jesu an Petrus im Garten Gethsemane: „Denn alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen.“
Doch durch Populisten wird schon der einfache Widerspruch, den Christen erleben, als Verfolgung im oben angeführten Sinne dargestellt. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Christen, welche sich von den Populisten einfangen ließen, von allen anderen zu isolieren. Jeder, der den „gerechten Kampf“ nicht mit derselben Inbrunst betreibt, muss demnach zu den Feinden zählen. Das trifft genauso auch andere Christen, welche die Ansichten der Populisten nicht teilen und die Bibel anders verstehen und ihren Glauben entsprechend leben.
5. Populisten schüren negative Emotionen und verbreiten Misstrauen
Ziel des christlichen Populismus ist es also, Christen zu isolieren und sie für das echte Evangelium blind zu machen. Vermeintliche und echte Anfeindungen, die von den Christen erlebt werden, sollen diese dazu motivieren noch enger zusammenzurücken. Gemeinsam will man „den guten Kampf“ kämpfen und sich darin nicht beirren lassen. Man bestärkt sich gegenseitig in seiner Haltung und wird letztlich gegenüber jeder liebevollen Korrektur taub. Das führt dazu, dass außerhalb der eigenen „erleuchteten“ Reihen niemanden mehr vertraut wird. Denn auch diese Christen, die die populistischen Ansichten nicht teilen, müssen vom Feind verblendet sein. Mehr und mehr greift die Aufforderung, niemanden zu vertrauen, wenn er nicht zu den eigenen Reihen gehört. Insbesondere gilt das für Medien und Institutionen.
Das führt zu einer generellen Haltung der Angst und Verteidigung. Das wiederum führt geradewegs zu einem Lebensstil des Hasses.
Hier ist die Falle erkennbar, auf die ich aufmerksam machen möchte.
Ich sollte eine Definition für Hass einfügen: Ich spreche hier nicht von den Endstufen des Hasses, die sich in geifernder Wut oder Gewalt ausdrücken. Hass beginnt viel früher. Er beginnt dort, wo man sich von der Liebe abwendet und sich nicht mehr gegen Themen und Ansichten, sondern gegen Menschen richtet. Dieser Übergang ist jedoch fließend, sodass die davon Betroffenen meist nicht merken, dass sie bereits in der Hassfalle sitzen.
Denn Hass isoliert und trennt. Liebe hingegen öffnet sich dem Gegenüber und verbindet. Hass erreicht das Gegenüber nicht in der Art, dass es sich der Botschaft des Evangeliums öffnen würde. Hass vertieft die Gräben. Hass macht selbstgerecht. Man findet seine Gerechtigkeit jetzt nicht mehr aus dem Glauben, aus dem Vertrauen zu Gott, sondern aus seiner eigenen Haltung und eigener Gerechtigkeit.
Täuschen wir uns nicht: Dieser Hass ist kein Faktor, den man vernachlässigen kann. Im Neuen Testament wird hierfür das Bild des Sauerteigs verwendet:
1 Korinther 5:6 Euer Rühmen ist nicht gut. Wißt ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? … 8 Darum laßt uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit! (Rev.Elb.)
Immer wieder wird versucht bei Vertretern dieses christlichen Populismus, den Glauben, den sie vorgeben zu leben und ihre Taten voneinander getrennt zu betrachten. Doch Jesus und hier Paulus warnen eindringlich davor, weil beides nicht voneinander zu trennen ist.
6. Populisten inszenieren sich als sichere Helfer angesichts hochgespielter Bedrohungen und treiben einen Kult um die eigene Person.
In diesem gesamten Geschehen stellen sich die Populisten als demütige, dem Herrn ergebene Diener dar. Sie behaupten, nur nach der Wahrheit streben und die Geschwister vor den Gefahren der Welt zu warnen, damit diese nicht verführt würden. Faktisch gehören sie jedoch auch zu den Verführern, falschen Propheten und Irrlehrern. Werden sie tatsächlich zum Opfer ihres eigenen Populismus, generieren sie einander als „echte Märtyrer“, die um des „wahren Glaubens willen“ leiden müssen oder gar gestorben sind.
Und es gibt sie, die Stars dieser Szene. Ihre Botschaften, ihre Bücher und andere Merchandising-Produkte verkaufen sich gut. Sie werden gerne eingeladen und können so ihre Botschaften immer effektiver verbreiten.
Doch Jesus hat gewarnt:
Matthäus 7:15 Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen! Inwendig aber sind sie reißende Wölfe. 16 An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? 17 So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. 18 Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, noch kann ein fauler Baum gute Früchte bringen. 19 Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20 Deshalb, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. (Rev.Elb.)
Nicht an ihren Worten werden sie erkannt, sondern an ihrer Frucht, an dem Ergebnis ihrer Botschaft und Lehre. Wohin führt es einen Christen, wenn er diesen Botschaften folgt? Was ist also die Frucht der Populisten? Keinesfalls Liebe in der Art, die uns Jesus vorlebte, auch wenn sie so oft davon zu reden scheinen.
Auch Jakobus bezieht sich auf die Frucht des Glaubens und legt offen, dass das mündliche Bekenntnis des Glaubens keine Zauberformel ist, die fähig ist zu erretten. Der Glaube muss aus dem Herzen kommen, dann erst gebiert er die Frucht des Geistes.
Jakobus 2:17 So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot. 18 Es wird aber jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne Werke, und ich werde dir aus meinen Werken den Glauben zeigen! 19 Du glaubst, daß nur einer Gott ist? Du tust recht; auch die Dämonen glauben und zittern. 20 Willst du aber erkennen, du eitler Mensch, daß der Glaube ohne die Werke nutzlos ist? … 26 Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot. (Rev.Elb.)
Ergänzend dazu Paulus:
Römer 10:8 … Das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, 9 daß, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst. 10 Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil. (Rev.Elb.)
Paulus hebt deutlich hervor, dass nur die Liebe die Basis unserer Nachfolge sein kann und Hass nicht aus Gott ist:
1 Korinther 13:1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel. 2 Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß und wenn ich allen Glauben habe, so daß ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung der Armen austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, so nützt es mir nichts. 4 Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig; sie neidet nicht; die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, 5 sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles. 8 Die Liebe vergeht niemals; seien es aber Weissagungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. 9 Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise; 10 wenn aber das Vollkommene kommt, wird das, was stückweise ist, weggetan werden. (Rev.Elb.)
Galater 5:22 Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, 23 Sanftmut, Enthaltsamkeit. … (Rev.Elb.)
Ebenso sagt Jesus im Johannesevangelium
Johannes 13:34 Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt. 35 Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Rev.Elb.)
Weiterführende Literatur: Populismus und christlicher Glaube von Sandler Willibald