Der fünffältige Dienst: Aufgabe oder Amt?

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Der Artikel von Frank Viola ist interessant und lohnenswert zu überdenken. Kann man denn seine Gedanken so stehen lassen? Sicherlich provoziert er mit seinen Thesen, was zumindest zu einem ergiebigen Austausch anregen kann.

Interessant ist es schon mal, dass die Lehre über den fünffältigen Dienst gerade mal 180 Jahre alt ist – wird doch immer gesagt, es wäre eine originale Lehre der Bibel. Sicherlich muss man berücksichtigen, dass diese Auslegung von Eph. 4:11-13 immer auch aus einem hierarchischen Leitungsverständnis erfolgte. Es wurden also Titel für Menschen gesucht, die ganz Oben in der Pyramide, direkt unter Christus selber anzusiedeln wären. Zu Auslegungsschwierigkeiten kommt man schon wenn man Eph. 2:20 hinzuzieht:
Epheser 2:20 Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst Eckstein ist.
Hier haben wir „nur” Apostel und Propheten, nicht aber die anderen Dienste aufgezählt. was bedeutet das aber? Das diese zwei Ämter in der Riege des fünffältigen Dienstes noch mal höher gestellt sind? Oder gibt es in der Deutung des fünffältigen Dienstes nicht doch Gedankenfehler?

Ich stimme Frank Viola hier zu, wenn er schreibt:
„Die Auferstehungsgaben aus Epheser 4 sind „begabte Menschen“, die dem Leib Christi als normaler Auswuchs gegeben wurden – sie sind das Produkt eines authentischen Gemeindelebens. Das ist auch der Fall mit allen anderen Gaben, die im Neuen Testament erwähnt werden.”
Es ist sehr bedenkenswert, dass diese Gaben an den Leib Christi Ergebnis eines normalen Reifewachstums der Gemeinde ist. Dies birgt in sich die Frage, ob denn diese Dienste unbedingt von einzelnen, besonders begabten Christen ausgeübt werden müssten, oder ob sie nicht vielmehr auch in einer gesunden Gemeinde schlicht geschehen, ohne dass dadurch bestimmte Menschen besonders hervorgehoben würden. Wir lesen im NT durchaus von Aposteln und Propheten – wobei die Propheten recht selten namentlich angeführt sind und auch die Namen vieler Apostel uns verborgen bleiben. Namen von Hirten und Lehrern, sowie ausgesprochenen Evangelisten bleiben uns, bis auf einzelne Ausnahmen auch verborgen. So finden wir in Apg. 21:8 Philippus als Evangelisten und seltsamerweise wird auch Timotheus von Paulus in 2.Tim. 4:5 aufgefordert das Werk eines Evangelisten auszuüben, wo man doch gerade in ihm eher den klassischen Hirten und Lehrer vermuten sollte – wird er von Paulus doch auch zu diesen Diensten ermuntert.
Wo aber sind die zahlreichen Evangelisten, Hirten und Lehrer die der junge Leib Christi damals so dringend bedurfte? Sicherlich waren sie vorhanden, aber es war den Schreibern des NT selten wert, diese auch namentlich zu erwähnen. Es ging um den Dienst, der getan werden musste und auch getan wurde, nicht um die Menschen!
Das Paulus und Barnabas in Antiochien zu den Propheten und Lehrern gezählt wurden (Apg. 13:1) ergab sich schlicht aus dem Dienst, den sie taten, ohne dass sie dazu speziell in ein Amt eingesetzt werden mussten. Als sie dann in Jerusalem ausgesandt wurden, wurden aus ihnen nun Apostel – eben genau das was der griechische Begriff „apostolos” – Apostel auch meint: Ausgesandte. (Aus den Strongs: apostolos – allg.: ein Abgesandter, der Bote, der Delegat, jemand der mit einem Befehl und einer bestimmten Aufgabe ausgesandt wird: Christus selbst sowie Boten Gottes oder Abgesandte der christlichen Gemeinden.)
Heute hätten wir sie wohl Missionare genannt. Ein Apostel ist also Jemand, der von Jemanden zu einem bestimmten Zweck ausgesandt wurde. Apostel zu sein trägt in sich also noch kein Gütesiegel. Der Aussendende oder die aussendende Gemeinschaft gibt erst in ihrer Auswahl des Auszusendenden eine gewisse Qualitätsvorgabe. Und der Ausgesandte steht stellvertretend für den oder die Aussender, wirkt also in der ihm gegebenen Vollmacht..

Paulus und Barnabas wurden zweifach ausgewählt um ausgesandt zu werden: zunächst vom Heiligen Geist und daraufhin von den Jerusalemer Aposteln. So wirkten sie im Namen und der Vollmacht Gottes und der Apostel in Jerusalem.

Zitat:
Insgesamt benennt das Neue Testament 20 Gaben (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten, Lehrer, Wort der Weisheit, Wort der Erkenntnis, Glaube, Weissagung, Heilung, Unterscheidung der Geister, Wunderwirkung, Sprachen, Auslegung der Sprachen, Hilfeleistung, Administrieren, Dienen, Ermutigen, Geben und Barmherzigkeit.)

F. Viola zählt 20 Gaben im NT auf und zählt die Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer zu den Charismen. Ist das so korrekt?
Zunächst stellt man in der Aufzählung fest, dass alle anderen Gaben persönliche Gaben sind. Gaben, die einer Person gegeben wurden. Wenn man aber die fünf Gaben aus Eph. 4:11 betrachtet sind dies eher Aufgaben die im Leib Christi ausgeübt werden sollen. Es bleibt nicht ersichtlich warum F. Viola hier dann nicht auch z.B. Älteste und Diakone mitaufgezählt hat. Andere Autoren zählen wiederum mehr wie 20 Gaben im NT auf, was auch nicht von der Hand zu weisen ist.

Ich denke auch, dass Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer von Gott der Gemeinde gegeben wurden. So wie es Eph. 4:12 + 13 sagt:
Epheser 4:12 zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi, 13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi.

Das macht sie aber nicht den Charismen / den Gnadengaben gleich. Hier sind nicht Befähigungen aufgezählt, hier sind meiner Meinung nach Dienste aufgezählt.
Ich stimme aber hier F. Viola wiederum zu, dass eine gesunde Gemeinschaft in Christus auch die begabten Personen hervorbringen wird, die diese Dienste tun werden. Oft genug habe ich auch miterleben können, wie Gott Gemeinden an einem Ort solche Menschen hinzufügte, damit auch hier Gemeinde gesund gedeihen kann. Letztlich haben dies auch die Apostel und auch Paulus mit z.B. Timotheus getan.

Wenn also F. Viola feststellt, dass die von ihm beobachteten Apostel „sehr selbstzentrierte Personen, fixiert auf ihre eigene Wichtigkeit” gewesen seien, weil sie von bestimmten Institutionen ausgesandt wurden, mag man fragen ob das bei den Aposteln zur Zeit des NT wirklich so anders war? Längst nicht alle Gläubigen der damaligen Zeit waren von Allem überzeugt, was aus Jerusalem kam. Auch Paulus mag man eine gewisse Selbstverliebtheit vorgeworfen haben und zuletzt haben sich die meisten der von ihm gegründeten Gemeinden abgewandt. Stellen wir deshalb schon Paulus als Apostel in Frage?

Nicht verwunderlich ist hingegen, dass Apostel so Gemeinde bauen, wie sie es in ihrer Gemeinschaft gelernt und als Richtig befunden haben.

Gemeindepraktiken, gewurzelt in heidnischen Traditionen

F. Viola verweist auf sein Buch, in dem er aufzeigt, dass die meisten unserer Gemeindepraktiken keine Grundlage im NT haben und heidnische Wurzeln hätten. Daraus schließt er, dass die heutigen Apostel Gemeindestrukturen bauen, die verhindern dass die Leitung Jesu Christi geschehe.
Ich habe das Buch nicht gelesen, frage mich aber, woher er denn die Sicherheit nimmt, dass alle Möglichkeiten des Gemeindebaus abschließend im Wort Gottes aufgelistet seien? Ist denn Gott so sehr an Formen gebunden, dass sein Geist nicht auch über Strukturen hinweg in demütigen Christen wirken könne?
Wenn er sich so stark abgrenzt, stellt er sich hier dann nicht auch unter das Urteil des von ihm selbst zuvor zitierten Bibelverses: „Wer sich absondert, sucht sein Begehren, gegen alle Umsicht platzt er los“ Sprüche 18,1 ?
Mit welcher Sicherheit weiß er denn, dass er so deutlich bessere Erkenntnis hat, wie die anderen Christen, die ebenfalls demütigen Herzens Gott um Rat und Weisheit ersuchen?
Ich werde recht skeptisch, wenn Jemand so pauschal alles Andere als seine eigene Erkenntnis aburteilt. Wobei ich nicht behaupten will, dass dies mir nicht passieren könnte.

Die eigentliche Wirkungsweise der fünf Dienste

Hier stimme ich F. Viola zu, dass alle diese Dienste Vervielfältigungsdienste sind. Also keine Dienste um ihres selber Willens, oder um besondere Menschen zu zelebrieren, sondern Dienste, die angelegt sind sich mehr oder weniger zu multiplizieren. Überhaupt sind Leitungsdienste in der NT-Gemeinde darauf angelegt, die Gläubigen selber zu befähigen und nicht alle möglichen Aufgaben an einzelne Personen zu bündeln. Die Fähigkeit zur Delegation muss eines der grundlegenden Befähigungen von Leitern im Leib Christi sein. Es muss solchen Leitern gefallen die Gläubigen in ihren Begabungen wachsen zu sehen und es muss ihnen eine Lust sein, andere Christen in diesem Wachstum zu begleiten. Diese Lust wird darin sichtbar, indem solche Leiter Andere ins Licht der Öffentlichkeit stellen und nicht sich selber darstellen. Ein guter Leiter tut nicht alles selber, er leitet Andere darin an, diese Aufgaben zu tun. Wenn er selber Aufgaben ausübt, tut er dies in vorbildhafter Weise, so dass Andere darin ein Beispiel finden. Dies scheint für mich eins der hauptsächlichen Aufgaben der fünf Dienste zu sein. Es gilt dadurch zu leiten, indem man Überzeugt und nicht indem man Herrscht. Dem entspricht auch F. Violas leidenschaftlicher Appell gegen hierarchische Leitermodelle.

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Zu Wenige?

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Zwei oder Drei – das ist dann bereits schon Gemeinde? Hatte Gott da nicht Größeres im Sinn?
Immerhin wurden am Pfingsttag allein schon 3000 Menschen der Gemeinde hinzugetan. Sollte also Gemeinde nicht immer auch eine möglichst große Ansammlung von Menschen in einem Ort sein, einig im Geiste und stark im Zeugnis für die Welt?

So mag man denken und so war es anfänglich auch in Jerusalem. Aber Jerusalem war nicht die tatsächliche Mustergemeinde des NT. Denn diese Stadtgemeinde war letztlich nicht wirklich erfolgreich. Nach anfänglichen Erfolgen stagnierte das Wachstum, immer weniger Menschen kamen zum Glauben. Und das Evangelium verbreitete sich nicht so, wie es Gott sich gewünscht hat – also wurde die Jerusalemer Gemeinde in alle Welt zerstreut, indem Verfolgung einsetzte.
Jetzt hatten wir sie tatsächlich, diese Kleingemeinden die sich in privaten Häusern versammelten und so zu einer weltweiten Verbreitung des Evangeliums beitrugen.
Die Kraft des Zeugnisses der Gemeinde war durch die Größe der Gruppen nicht geringer, aber deutlich effektiver.

Gerade in unserer heutigen Kultur und Weltzeit scheinen diese kleinen Powergruppen des Reich Gottes, wie es auch schon immer war, eines der effektivsten Wege zu sein das Evangelium zu den Menschen zu bringen, die sich kaum noch in ein Kirchengebäude verlaufen.

Charly

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„Ach? Ihr habt einen Hauskreis?“

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„Ach? Ihr habt einen Hauskreis?“
das ist oftmals eine Reaktion, wenn man erzählt, das man Mitglied einer Hauskirche ist. Anscheinend ist der Begriff „Hauskirche“ noch nicht mit der Vorstellung einer vollwertigen Gemeinde verbunden.

Was aber ist der Unterschied zwischen Hauskreis und Hauskirche bzw. Hausgemeinde?

Hauskreise sind entweder an eine der üblichen Ortsgemeinden angegliedert und stellen einen Weg der Gemeinschaftspflege innerhalb dieser Gemeinden dar. Manchmal sind diese Hauskreise auch mit bestimmten Zielen verbunden, so wie zB Jüngerschaft oder speziellen missionarischen Aktivitäten. Manchmal sind sie auch eine Art Selbsthilfegruppe für Menschen mit ähnlichen Schicksalen.

Dann gibt es auch die große Anzahl der Hauskreise, die sich Übergemeindlich treffen – in denen Christen aus verschiedenen Gemeinden zusammenkommen, um über Konfessionsgrenzen hinweg Gemeinschaft zu pflegen und bestimmten Bedürfnissen des geistlichen Lebens gemeinsam Raum zu geben. Auch wenn sich dort auch immer wieder Christen einfinden, die keiner Gemeinde angehören, so sind die meisten Besucher solcher Hauskreise auch Mitglieder in einer üblichen Gemeinde. Und diese Hauskreise verstehen sich nicht als eigenständige Gemeinde.

Hauskirchen hingegen sind Gemeinden. Das bedeutet, dass die Mitglieder solcher Hauskirchen / -gemeinden sich als Gemeinde verstehen und miteinander eine gewisse Verbindlichkeit eingegangen sind. Das wesentliche Gemeindeleben findet also in diesen Haustreffen statt und nicht in einem sonst üblichen Kirchengebäude.
Das was oft befremdet ist auch, das sich bereits eine relativ kleine Gruppe als Gemeinde versteht. Denkt man allerdings genauer darüber nach, so ist so manche freikirchliche Gemeinde, die sich in speziell angemieteten Räumen trifft, auch nicht wesentlich größer. Gemeinden mit ca. 30 – 50 Mitgliedern sind im freikirchlichen Bereich eher die Regel als eine Ausnahme. Und oft genug haben diese Gemeinden dann heftig mit der Finanzierung der speziell angemieteten Räume zu kämpfen.
Ob da Hauskirche / -gemeinde nicht doch echten Sinn macht?

Charly

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