Einsamkeit nimmt in unserer westlichen Gesellschaft immer mehr zu. Das Ergeben diverse Studien und soziologische sowie psychologische Erkenntnisse.
Nicht nur unter den „üblichen“ Randgruppen unserer Gesellschaft wird mehr und mehr Einsamkeit erlebt. Vielmehr durchzieht dieses Phänomen mittlerweile alle Gesellschaftsbereiche. Auch die christlichen Kirchen und Gemeinden sind hier nicht ausgenommen.
Obwohl in den westlichen Gesellschaften immer mehr von „social Communitys“ und Gruppendynamiken gesprochen wird, sieht die Realität für immer mehr Menschen anders aus: Sie vereinsamen mehr und mehr. Einsamkeit ist so akut geworden, dass in Großbritannien sogar Anfang letzten Jahres ein spezieller Ministerposten dafür geschaffen wurde. (Hier nachzulesen) Am morgigen Donnerstag (14.02.2019) widmet der TV-Sender 3Sat diesem Thema einen Abend mit mehreren Sendungen. (Hier nachzulesen)
Sind christliche Gemeinden eine wirksame Antwort auf die zunehmende Einsamkeit in unserer Gesellschaft? Dem möchte man spontan zustimmen. Doch ist es in der Realität tatsächlich so, dass chr. Kirchen und Gemeinden der Vereinsamung von Menschen in unserer Gesellschaft entgegenwirken? Hier ist ein kritischer Blick durchaus angebracht.
Orientierung auf Programme führen zur Einsamkeit.
Macht man den Lackmustest, in dem man einmal Gemeindemitglieder nach ihren Erfahrungen fragt, wird man schnell ernüchtert.
Obwohl zunächst immer beteuert wird, dass man eine gute und intensive Gemeinschaft untereinander pflegt, wird es im konkreten Fall kritisch. Fragt man nach dem Verhalten der anderen Gemeindemitgliedern in Zeiten von krankheitsbedingten oder anders bedingten Fehlzeiten – also Zeiten, in denen betroffene Mitglieder nicht zu den Veranstaltungen kommen konnten – wird man ernüchtert. Sehr häufig hat sich in solchen Zeiten niemand gemeldet. Weder telefonisch noch gar durch Besuche.
Fragt man danach, ob Gemeindemitglieder zu anderen Freundschaften pflegen, die so eng sind, dass Andere von den eigenen Problemen wissen und nach Möglichkeit zu helfen bereit sind, wird es manches mal genauso eng.
Insbesondere Alleinstehende sind davon betroffen, egal ob jung oder alt. Nur die wenigsten Kirchen und Gemeinden bieten unverbindliche Begegnungsmöglichkeiten wie Kirchencafés, -bistros oder Ähnliches an. Stätten wo Christen und Nichtchristen sich begegnen können, ohne sofort wieder in ein Programm eingebunden zu werden. Damit meine ich jetzt nicht, dass in solchen auch immer wieder Angebote wie Musik, Spieleabende, etcpp. angeboten werden. Ich meine damit, dass in solchen Begegnungsstätten der Schwerpunkt auf die Begegnung und nicht auf ein Programm gelegt wird.
Nicht anders wird bei Treffen für spezielle Gruppen (Frauen, Männer, Senioren, etc.) in den Gemeinden verfahren. Auch diese werden programmmäßig von Anfang bis Ende durchgeplant. Raum für einfache Begegnung eher marginal.
Der Grund für die mangelnde echte Gemeinschaft ist leicht zu finden. Mittlerweile wird üblicherweise die Teilnahme an Programmen, aktiv oder passiv, als Gemeinschaft gedeutet. Doch das ist keine wirkliche Gemeinschaft. Schon garnicht die Art von Gemeinschaft, über die im NT gesprochen wird. Verwunderlich ist das weniger. Denn Durchführung und Teilnahme an Programmen lassen sich viel besser initiieren und planen als echte, tief gehende Gemeinschaft. Tiefgehende Gemeinschaft braucht viel Zeit und Willen. Programme können nur Begegnungsrahmen dafür anbieten, nicht aber solche ersetzen. Zeiten der reinen Begegnung werden aber oft als eher vertane Zeit in den chr. Gemeinden betrachtet. Vielmehr werden Treffen mit religiösen Inhalten gefüllt. Obwohl im NT überwiegend davon gesprochen wird, dass die Christen bei ihren Gemeinschaftstreffen auch gemeinsam gegessen haben, findet man solche Angebote in den institutionellen, programmorientierten Gemeinden so gut wir nicht. Das nur als ein Beispiel. Einfach Gemeinschaft um der Gemeinschaft willen zu pflegen wird nicht als attraktiv empfunden.
Wenn in Gemeinden die Einsamkeit bestimmter Gruppen wahrgenommen wird, neigt man eher dazu, „Besuchsdienste“ zu organisieren, statt allen Mitgliedern die Wichtigkeit echter Gemeinschaft, auch und vor allem über die Programme hinaus, nahezulegen.
Das Konzept der Hausgemeinden und der „simple Church/ einfache Gemeinde“ legt hier das Gewicht auf Gemeinschaftsorientierung statt auf die Programmorientierung. Ob das jedoch im konkreten Fall auch immer gelingt, ist die Frage. An Vorbildern mangelt es leider immer noch.
Lieber Leser, was kannst du tun um Menschen in deinem Umfeld in ihrer Einsamkeit zu begegnen? Kennst du Menschen, die einsam sind und bist du willens, Zeit und Kreativität für solche aufzubringen?