Gratishilfen vor Ort

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Lu 6:36 Seid nun barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! (Rev.Elb.)
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*Update*
Ich habe schon oft bemängelt
, dass Christen sich zu sehr um ihre Gemeindeprogramme und zu wenig um konkrete Hilfe für Menschen am Ort kümmern. Gerade die Coronakrise hat dies sehr deutlich gemacht. Es wurde und wird mehr Energie und Manpower aufgebracht, um Gottesdienste online anbieten zu können, als Gemeinde im Sinne Jesu zu leben.

Doch nun ist eine christliche Initiative entstanden, die echte Hilfe zumindest verspricht: gratishilfe.org
Auf dieser Plattform ist es möglich, sich als Helfer in verschiedenen praktischen Hilfebereichen einzutragen. Zitat:
„Bei GratisHilfe engagieren sich Christen ehrenamtlich, damit Menschen ganz praktisch und unkompliziert vor Ort Unterstützung finden. Mit GratisHilfe möchten wir leben, was wir glauben und Gottes Liebe praktisch erfahrbar machen. Deshalb ist unsere Hilfe kostenlos und auch sonst an keine Bedingungen geknüpft.“

Hinter der Initiative stehen einige christliche Organisationen unter der Trägerschaft der Evangelischen Allianz.

Ein erster Test zeigt jedoch, dass die Seite, auf der man die Stadt auswählt, nicht funktionierte. Bei einer telefonischen Nachfrage wurde mir das bestätigt. Daher wurde der Fehler schnell behoben. Wer die Seite ausführlicher betrachtet, stößt leider auf noch mehr Links, die nicht funktionieren. 🙁
Bisher ist die Anzahl der Helfer auch noch recht überschaubar. Daher meine Ermutigung an meine Leser: Kannst du dir vorstellen Menschen an deinem Ort konkret zu helfen? Dann melde dich doch auf diesem Portal als Helfer an.

So tragen wir Christen sehr real das Evangelium in sehr praktischer Form zu unseren Mitmenschen. Es kann sehr gut sein, dass uns Jesus auf dem Weg begegnet:

Mt 25:34 Dann wird der König zu denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, Gesegnete meines Vaters, erbt das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an! 35 Denn mich hungerte, und ihr gabt mir zu essen; mich dürstete, und ihr gabt mir zu trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich auf; 36 nackt, und ihr bekleidetet mich; ich war krank, und ihr besuchtet mich; ich war im Gefängnis, und ihr kamt zu mir. 37 Dann werden die Gerechten ihm antworten und sagen: Herr, wann sahen wir dich hungrig und speisten dich? Oder durstig und gaben dir zu trinken? 38 Wann aber sahen wir dich als Fremdling und nahmen dich auf? Oder nackt und bekleideten dich? 39 Wann aber sahen wir dich krank oder im Gefängnis und kamen zu dir?  40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan. (Rev.Elb.)

*Update*
Nachdem ich mich dort als Helfer anmelden wollte, muss ich sagen, dass dieses Portal meiner Meinung nach viel mehr verspricht als es halten kann.
Die erste Hürde fiel mir bei der Frage, ob man bei der Hilfe versichert ist, auf. Dass man eine eigene Haftpflicht haben sollte, die auch ehrenamtlich Tätigkeiten versichert, ist nachvollziehbar. In der Frage der Unfallversicherung, die durch Institutionen und Vereine seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern angeboten wird, wird es komplizierter. Denn die Plattform bietet diese explizit nicht an. Sie verweisen vielmehr darauf, dass man diese über seine Kirchengemeinde erfragen solle. Das setzt aber voraus, dass diese Gemeinde diese ehrenamtliche Tätigkeit auch als Angebot der Gemeinde haben will.
Überhaupt legt diese Initiative einen hohen Wert darauf, dass eigentlich in christlichen Gemeinden Gruppen gegründet würden, die die individuellen Hilfen anbieten. Dazu zwei Gedanken:
– Wenn es dann doch die Gemeinden sein sollen, die solche Gruppen gründen, wozu ist dann die Plattform noch notwendig? Solche Gemeinden werden aus Eigeninteresse selbst in ihrer Stadt werben wollen.
– Wenn es nicht diese enormen Probleme mit kirchlichen Gemeinden geben würde, gerade dort solche Gruppen oder Initiativen zu gründen, bräuchte es keine alternativen Angebote. Wenn hier hauptsächlich auf die Bereitschaft der Gemeinden gebaut wird, prognostiziere ich die Initiative „GratisHilfe“ als eine, mehr oder weniger, Totgeburt. Eine gute Idee, die aber letztlich nicht wirklich und schon gar nicht längerfristig umgesetzt werden wird. „Praktisch und unkompliziert“ geht deutlich anders!
Wenn man im Internet ein solches Portal aufsucht, wie gratishilfe.org zunächst auftritt, erwartet man, dass man dort schnell Helfer finden kann und dass Helfer sich dort einfach registrieren und vorstellen können. Man erwartet, dass man, nachdem man einen Helfer vor Ort gefunden hat, mit diesem unkompliziert in Kontakt treten kann. Dem ist aber nicht so.
So wie ich es nach Gesprächen mit der Projektkoordinatorin Martina Todesko verstehe, ist es sehr umständlich sich dort als Helfer zu registrieren. Das geht zum Beispiel ohne das Okay des Gemeindepastors nicht. Dieser muss der Initiative gegenüber bestätigen, dass man als Helfer geeignet ist. Das mag sich einfach anhören, doch vonseiten der Gemeinde haben wir dann schon wieder das Problem, dass die Gemeinde diese Hilfe auch als Teil ihres Angebots ansehen und die Leiter nicht die übliche Befürchtung haben sollten, dass der Gemeinde so Mitarbeiter abspenstig gemacht werden könnten. (Wovor unglaublich viele Gemeindeleiter Angst haben – bewusst oder weniger bewusst.) Man muss demzufolge als potenzieller Helfer zwangsläufig Mitglied in irgendeiner Gemeinde sein. Wenn Christen aber einen anderen Weg gehen – wie z. B. Christen der „Einfachen Gemeinde“ oder diversen Hauskirchen – kann man seine Hilfe dort nicht anbieten. *Ironie on* Wie wir ja alle wissen, sind Christen, die sich außerhalb institutioneller Gemeinden bewegen, allesamt nicht vertrauenswürdig und ein Umgang mit solchen ist nicht zu empfehlen. *Ironie off* (Tatsächlich denken nicht wenige Gemeindevertreter derart.) Ich würde anmerken wollen, dass aus meiner Erfahrung eine Empfehlung einer Person seitens einer Gemeinde auch noch lange kein Garant für den Charakter der Person darstellt.
Weiter wird erwartet, dass Niemand alleine seine Hilfe anbietet, sondern immer nur als Teil einer Gruppe, die Hilfen anbietet. Es unkompliziert zu nennen, wenn man erst einmal eine Gruppe von Helfern gründen muss, um seine eigene Hilfe anbieten zu können, empfinde ich als geradezu abenteuerlich.
Höchst irritierend ist es, dass jeder Besucher auf der Plattform eine Vorlage für Aushang samt Logo von GratisHilfe, als Word-Datei herunterladen, editieren und in seinem Viertel (oder wo auch immer) aufhängen kann. Und zwar, ohne dass die Initiative davon weiß oder irgendwie absichern könnte, wer das macht.
Sucht man einen Helfer, wird man mit einer komplizierten Suchmaske konfrontiert. Dort wurden einfach alle Postleitzahlen, samt Untergliederungen, übernommen. So muss man seine Anfrage für jede einzelne, infrage kommende PLZ nebst Untergliederung einzeln ausführen. Dabei würde ich meinen, dass solche Helfer in der überwiegenden Zahl durchaus bereit sind, auch Anfahrtswege von ein paar Minuten in Kauf zu nehmen. Die wenigsten werden ihre Hilfe davon abhängig machen, dass sie den Ort, wo die Hilfe erfolgen soll, zu Fuß zu erreichen können.
Man bekommt auch kein Profil eines möglichen Helfers angezeigt. Es heißt aus Datenschutzgründen. Diese Begründung halte ich für überzogen. Es ist durchaus möglich, innerhalb der DSGVO-Richtlinien ein Profil eines Helfers vorzustellen. Genauere Daten zur Person sollten eh, wenn und inwieweit notwendig, erst nach der Kontaktaufnahme weitergegeben werden.

Also unkompliziert ist hier eigentlich kaum etwas. Dass diese Initiative in einem nennenswerten Umfang dazu beitragen kann, dass Christen und Gemeinden solche Hilfe öffentlich anbieten, kann ich nicht glauben. Nicht nach meiner über 40-jährigen Erfahrung mit Gemeinden. Ich finde es zudem ausgesprochen enttäuschend, dass hier weit mehr versprochen wird, als man tatsächlich bereit ist, umzusetzen.
By the Way: Man kann sich auf dem Portal zwar als Helfer selbstständig registrieren. Man kann diesen Account aber nicht selbstständig wieder löschen!

P.s.: Wer einmal ein Interview mit der Projektkoordinatorin hören möchte, kann das hier beim ERF tun.

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