Buch über Homosexualität und christlicher Glaube von Martin Grabe

Lesezeit: 4 Minuten
Kreuz auf Regenbogenfarben
© public domain by Rachel Burkum pixabay.com

*[Update Juni. 2021]
Vorweg: meine persönliche Haltung zum Thema Homosexualität und christlicher Glaube ist komplex. Wer mich diesbezüglich in Schubladen stecken will, muss zwangsläufig daneben liegen. Also versucht es einfach gar nicht erst. 😉

Im Juni 2020 Hat Martin Grabe sein Buch über Homosexualität und christlicher Glaube herausgebracht. Titel: „Homosexualität und christlicher Glaube: ein Beziehungsdrama“ Martin Grabe ist Psychiater und Psychotherapeut, seit 1998 Chefarzt der Abteilung für Psychotherapie und Psychosomatik der Klinik Hohe Mark in Oberursel. Außerdem ist er Vorsitzender der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS) und Mitherausgeber der Zeitschrift »P & S – Magazin für Psychotherapie und Seelsorge«.

Ich möchte hier eine sehr lesenswerte Rezension zu diesem Buch von Wolfram Soldan zur Verfügung stellen. (Mit freundlicher Genehmigung von Wolfram Soldan.) Er geht darin sehr ins Detail und gibt kompetente Erwiderungen, die sehr lesens- und bedenkenswert sind. Diese gab mir den Anstoß, diesen Beitrag hier zu veröffentlichen.
Wolfram Soldan ist Arzt, Psychotherapeut, Christlicher Therapeut (IGNIS), Supervisor (ACC) mit langjähriger Erfahrung und arbeitet an der Ignis-Akademie in Kitzingen. Er ist für seine gründlichen und tiefgehenden Arbeiten bekannt und von mir sehr geschätzt.
Hier nun seine Rezension (durch anklicken gelangt man zu einer PDF-Datei)

In meiner Beschäftigung mit diesem Buch wurde ich zweimal enttäuscht. Einmal, weil ich darin nicht die psychologische Kompetenz gefunden habe, die ich erhofft hatte. Und zum zweiten, weil ich auf theologischer Ebene wieder nur das Argumentieren mit aktuell tendenziöser Bibelauslegung finden musste.

Zur psychologische Ebene ist mir wichtig, dass es noch vieler sachlich neutraler Studien und Forschung bedarf, bevor hier grundlegend vorläufig abschließende Aussagen gemacht werden können. In der jetzigen Zeit haben wir tatsächlich aufgrund des massiven gesellschaftlichen und politischen Drucks nicht die Möglichkeit die Fragen zu stellen und zu untersuchen, die eigentlich gestellt werden müssten. Zurzeit werden immer wieder „Studien“ veröffentlicht, die kaum wissenschaftlich zu nennen sind, weil ihre Ergebnisse zuvor schon festgelegt zu sein scheinen. Solch eine „Studie“ führte jüngst auch zu einer fatalen Gesetzesentscheidung im Bundestag.
Martin Grabe führt zwar bedenkenswerte Argumente auf psychologischer Ebene an, denkt sie aber nicht zu Ende. Er gibt sich mit oberflächlichen und tendenziösen Ansichten zufrieden, die lediglich dem gesellschaftlichen Druck nachgeben. Er schaut nicht in die Tiefe, die dieses Thema und vor allem betroffene Menschen verdienen.
Martin Grabe greift auch den Begriff „Homophobie“, welcher in ausufernder Weise zum Niederknüppeln von Argumentationen benutzt wird, auf. Er entkräftet ihn aber nicht. Dass es eine psychische Störung in Form einer Phobie auf Homosexuelle geben kann, stelle ich nicht in Abrede. Doch in den seltensten Fällen wird dieser geäußerte Vorwurf auf eine solche echte Phobie treffen. Udo Rauchfleisch (ein Schweizer Klinischer Psychologe und Psychotherapeut der Fachrichtung Psychoanalyse) kreierte alternativ den Ausdruck Homonegativität. Diesen Ausdruck finde ich viel besser, weil er nicht per se pathologisiert und Raum zur Erwiderung lässt.

Was sich letztlich aus der ausstehenden und zurzeit nicht möglichen Forschung ergeben würde, ist immer noch offen. Daher können hier eher Meinungen als Forschungsergebnisse diskutiert werden. Solche sollten dann aber auch als derartige bezeichnet und nicht als „gesicherte Forschungsergebnisse“ geadelt werden. Den jetzigen Umgang mit diesem Thema auf psychologischer Ebene empfinde ich teilweise als katastrophal. Die Anfeindungen gegen die, die hier tiefer blicken wollen und die notwendigen Fragen stellen, sind ausufernd.

Zur theologischen Ebene möchte ich sagen, dass seit geraumer Zeit eine große Zahl  lediglich persönlicher Vorstellungen und pseudowissenschaftliche Argumente als Grundlagen der biblischen Auslegung forciert werden. Diese werden dann gerne in Variationen, wie auch von Martin Grabe, nachgeplappert. Auf ihre sachliche Stimmigkeit werden sie selten wirklich geprüft. Doch so die Bibel auslegen zu wollen, nennt man zu Recht Eisegese und eben nicht Exegese. Denn hier werden Deutungen in den Text hineingelesen, die man sich zuvor schon zurechtgelegt hat. Doch das alles kann und darf keine Grundlage für eine theologische Diskussion über ein derart wichtiges Thema sein.
Martin Grabe bedient sich hier auch einer solchen Argumentation. Er deutet in biblische Aussagen das hinein, was er daraus letztlich als Erkenntnis ziehen will. Er lässt schmerzlich notwendig prüfende Fragestellungen und Möglichkeiten der Übersetzung schlicht aus.
Ich selbst bin nicht der Ansicht, dass uns die Bibel zum Thema homosexuell empfindender Menschen lediglich schwarz-weiß-Antworten gibt. Daher kann und will ich solche Argumentationen weder in die eine noch andere Richtung stützen. Ich selbst möchte in der Begegnung und Begleitung homosexuell empfindender Menschen Raum schaffen, ihren persönlichen Weg mit Gott zu suchen. Wohin dieser individuell führt, will ich weder bewerten noch bestimmen. Im kirchlichen und gemeindlichen Umgang mit diesem Thema bedarf es deutlich mehr Offenheit und Abstand von tendenziösen Haltungen.

Martin Grabes Bemühung das Thema Homosexualität unter Christen noch einmal mit neuen Aspekten zu betrachten achte ich sehr. Doch mit dieser, von mir kritisierten Art der Herangehensweise, befürchte ich, dass er die Gräben noch tiefer gräbt, als sie eh schon sind. Erhofft man sich einen zusätzlichen, tiefen Blick aus psychologischer als auch theologischer Sicht, wird man enttäuscht. Wieder einmal fühlt man sich gedrängt, vorgegebene Sichtweisen zu übernehmen. Das hilft in der notwendigen Diskussion kaum weiter.

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Im Juni 2021 erschien eine weitere, recht ausführliche Besprechung des Buchs, welche hier nachzulesen ist. Sie ist von Írisz Sipos, (*1968), M.A. der Allg. und Vergl. Literaturwissenschaft, (Publizistik und Kunstgeschichte), leitende Mitarbeiterin der OJC-Redaktion und Pressereferentin des DIJG. Ein langer Text, absolut lesenswert.

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2 Gedanken zu „Buch über Homosexualität und christlicher Glaube von Martin Grabe“

  1. Magst Du für nen psychologischen Laien kurz ausführen, welche Fehler die aktuellen Studien machen? Denn in meinen ungeschulten Augen ergibt es schon Sinn, wenn zum Beispiel gesagt wird, Konversionstherapien treiben mitunter Menschen in den Selbstmord und sollten deshalb nicht sein. Auch sehe ich nicht, wieso eine Konversionstherapie helfen sollte. Was ist das Ziel? Aus einem Homosexuellen einen Heterosexuellen zu machen? Was ist der Gewinn? Vor allem in Anbetracht der für mich als Laien sich so darstellenden Tatsache von Selbstmorden und unglücklichen Ehen aus Konventionskonformität (also alten Konventionen, die so in der Gesamtgesellschaft vielleicht gar nicht mehr bestehen)?
    Über das Theologische (da bin ich wiederum kein Laie) können wir eventuell später reden, denn tatsächlich kenne ich zum Beispiel keine Bibelstelle, die sich gegen Homosexualität ausspricht. Aber das wäre ne andere Diskussion.

  2. Hallo Benny,
    zunächst mal, was mir in deinem Posting auffällt:
    – Du scheinst, wie es zZt ja auch immer falsch propagiert wird, anzunehmen, das sex. Empfinden und die sex. Identität eines Menschen sei etwas, was im Grunde unwandelbar und keineswegs progressiv ist. Das ist falsch. Es gibt nicht DIE Heterosexuellen und DIE Homosexuellen. Tatsächlich gibt es zwischen beiden Polen eine Unmenge Abstufungen. Das sex. Empfinden ändert sich im Laufe des Lebens. Bei den Meisten nur in kleinen Bereichen, bei Manchen aber recht deutlich. Niemand stellt die Sexualtherapie in Frage, die Menschen hilft, wenn sie unter ihrem sex. Empfinden leiden. Das glauben wir gerne, dass Jemand z. B. innerhalb seines heterosexuellen Erlebens leiden kann. Bei bestimmten sexuellen Empfindungen reden wir immer noch und sehr betont von sex. Identitätsstörungen, die behandelt werden sollten / müssten. Doch wehe wehe, ein Therapeut bietet Menschen Hilfe an, die unter ihrem homosexuellen Empfinden leiden. Solche möchte man in der heutigen Zeit am liebsten steinigen. Denn eins soll uns eingebläut werden: Homosexuell empfindende Menschen haben gefälligst nur an der Gesellschaft, aber auf keinen Fall unter ihrem Empfinden zu leiden. Diesen Fehler macht Martin Grabe auch. Dabei sollte er es deutlich besser wissen.
    – Anscheinend kennst du vor allem die propagierten Horrorgeschichten und nicht den aktuellen Stand in Bezug auf Konversionstherapien – respektive die ergebnisoffenen Therapieansätze, die heute stattdessen angeboten werden. Würdest du den aktuellen Stand kennen, hättest du diese Frage nicht.
    Es gibt immer wieder Selbstmorde von Klienten diverser Psychotherapien. Sind deshalb die Therapieformen toxisch oder ist es nicht eher so, dass Menschen die psychisch leiden, eine höhere Tendenz zu Selbstmorden haben? Bei so manchen Konversionstherapien, die einst angeboten wurden (und von Spinnern immer noch angeboten werden) ist es eher nicht verwunderlich, dass solche in Verzweiflung münden können. Bei seriösen Therapieangeboten liegt es idR aber genau nicht an der Therapie oder dem Therapieziel, wenn Klienten Selbstmord begehen. Tatsächlich verhindern die Therapien so manchen Selbstmord.
    Du führst hier unglückliche Ehen auf diesem Hintergrund an. Warum? Weil Ehen von „eindeutig“ hetero- oder homosexuell empfindenden fast alle glücklich sind? Nicht? Warum soll das dann auf dem Hintergrund, dass Jemand an seinem homosexuellen Empfinden leidet, so anders sein?
    Benny, wir kommen keinen Schritt weiter, wenn wir uns bequemen in propagierten Schubladen zu denken, statt uns qualifiziert zu informieren.

    Jetzt zu den Studien: Die meisten „Studien“ gehen von einer Überzeugungsgrundlage aus, die ich eben schon aufgezeigt habe. Deshalb ist die Fragestellung schon nicht ergebnisoffen, die Deutung der Ergebnisse erst recht nicht.
    Seriöse psychologische Studien sind eine sehr komplexe und komplizierte Sache. Es gibt auch unterschiedliche Studien. Solche, die ergebnisoffen Grundlagen erforschen wollen. Oder auch solche, die getroffene Annahmen verifizieren wollen. Und noch andere.
    Ich habe hier bei zwei stark propagierten Studien detaillierter aufgezeigt, wie leicht und kritiklos wir solche „Studienergebnisse“ akzeptieren, obwohl die Studie genau betrachtet solche Aussagen nicht zulässt oder schlicht völlig unqualifiziert sind.
    https://blog.katalyma.de/2009/07/26/studie-zum-adoptionsrecht-fur-homosexuelle/
    und
    https://blog.katalyma.de/2010/10/17/gewalterfahrung-von-evangelikalen-kindern/
    https://blog.katalyma.de/2013/04/24/gewalterfahrung-von-evangelikalen-kindern-ii/

    Zum Theologischen: Hast du irgendwo auf meinem Blog eine Aussage von mir über Homosexualität gefunden, die sich alleine auf einzelne Bibelstellen gründet? Nein? Kein Wunder, die gibt es meinerseits auch nicht.
    Diese aktuelle derart beliebte und oft zitierte Propaganda, auf Basis pseudoexegetischer Aussagen, ist nur Mist und basiert sehr oft auf Fantasien statt auf Fakten. Gerade auf solche beruft sich Martin Grabe aber 🙁
    Meine theologischen Aussagen zur Homosexualität sind sehr breit auf verschiedenen Themenbereichen des Wort-Gottes ausgerichtet und noch lange zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Nicht umsonst habe ich obige Rezession von Wolfram Soldan zur Verfügung gestellt. Bei ihm finde ich diese Haltung zur Meinungsbildung weitgehend auch.

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