Innerhalb von nur drei Tagen sind mir gleich zwei Christen untergekommen, die mächtig angeben, dass sie täglich soundsoviele Stunden beten würden. Der eine berichtet in einer Predigt aus einer Düsseldorfer freikirchlichen Gemeinde davon, der andere in einem Artikel, den ich auf jesus.de gefunden habe. Wären es nur diese beiden, würde sich ein Kommentar darüber nicht lohnen. Doch es scheint mir so zu sein, dass immer mehr sich öffentlich darüber rühmen, dass sie viele Stunden im Gebt zu Gott verbringen.
Als noch ganz junger Christ hatte ich zu diesem Thema bereits einen Impuls, der mein Leben mit Gott geprägt hat. Dazu hier später mehr.
Ich will ganz ehrlich sein: Diese „Gebetsweltmeister“ haben mich schon vor 40 Jahren abgestoßen. Daran hat sich bis heute auch nichts verändert.
Eine Ausnahme bildete ein finnischer Evangelist, den ich 1980 während meines Zivildienstes in einer großen Gemeinde kennenlernen konnte. Auch er betete jeden Tag, zusammen mit seinem Mitarbeiter, mehrere Stunden. Davon habe ich allerdings nur erfahren, weil ich einen Mitarbeiter der Gemeinde fragte, warum man die beiden vormittags nicht zu Gesicht bekam. Die beiden beteten viel, aber sie schwiegen darüber. Das war ein Ding zwischen ihnen und Gott und nichts, was man plakativ vor sich herträgt. Diese Evangelisten stachen allerdings unter all den „Menschen Gottes“, die als Gastredner diese Gemeinde besuchten, wohltuend heraus. (Ok, andere Geschichte.)
Haben wir neuerdings wieder einen Frömmigkeitswettbewerb darüber, wer am längsten täglich betet? Als ob es Gott darauf ankommen würde. Gott interessiert die Qualität unserer Gemeinschaft mit Ihm und nicht, wer die meisten Gebetsstunden aufzählen kann. In diesen Wettbewerb haben sich dereinst schon die Pharisäer begeben und Jesus war alles andere als begeistert davon.
Vor dem „Vater unser“ sagte Jesus:
„Mt 6:5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und an den Ecken der Straßen stehend zu beten, damit sie von den Menschen gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin. 6 Wenn aber betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten. 7 Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die von den Nationen; denn sie meinen, daß sie um ihres vielen Redens willen erhört werden. 8 Seid ihnen nun nicht gleich! Denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet.“ (Rev.Elb.)
Zitat aus dem Artikel:
„Mein Alltag heute ist von Gebet durchdrungen. Meist bete ich mehrere Stunden am Tag – in ganz unterschiedlichen Formaten und mit vielen verschiedenen Menschen.“
Mal ganz nüchtern betrachtet: Das kann er nur, weil andere ihn finanziell tragen. Wie war das doch gleich mal noch: Ora et labora und nicht: orare et non labora? (Bete und arbeite und nicht: bete statt zu arbeiten.)
„Das Gebetshaus ist auf mittlerweile 150 Mitarbeiter gewachsen und eine feste Größe in unserer Stadt und darüber hinaus geworden.“
Und was soll das genau sein? Kloster 2.0? Die alten Klöster brauchen wir so gut wie nicht mehr und nun machen wir neue auf?
Sorry, aber diesem Trend kann ich wenig abgewinnen. Nicht etwa dem Trend, dass Christen sich wieder mehr auf das Gebet besinnen und Räume dafür vorfinden können. Das ist sehr gut. Doch es geht vor allem um Qualität und nicht Quantität.
Aber mit diesen „Gebetshelden“, die sich fürs Gebet auch noch bezahlen lassen, kann ich gar nichts anfangen.
Orte anzubieten, an denen man Ruhe zum Gebet findet, gegebenenfalls auch Gebetsunterstützung durch andere Christen, war schon immer etwas Gutes. Tatsächlich bieten z. B. immer noch die vielen Kirchen in unserem Land auch solche Orte der Stille. Dazu bedarf es jetzt wirklich nicht zusätzlich freikirchlicher Kloster 2.0. Erst recht kein Personal, das sein Einkommen mit Gebet bestreitet.
Ein anderer Trend, der mir besser gefällt, sind die sogenannten „Heilungsräume“ (Healing Rooms), die manche Gemeinden anbieten. Da stehen zu bestimmten Zeiten Christen ehrenamtlich in Gemeinderäumlichkeiten zur Verfügung und bieten Gebet, Segen und Gebetsunterstützung für Menschen an, die solches suchen. Richtig gemacht, eine wirklich tolle Sache.
Gottes Impuls für mich als junger Christ.
Ganz am Anfang meines Glaubenslebens beschäftigte mich natürlich auch die sogenannte „Stille Zeit“, die man täglich vor Gott verbringen solle. Während ich in der Bibel las was Jesus über das Gebet sagte, spürte ich diesen Impuls von Gott in mir. Zunächst, dass ich zu dem Zeitpunkt mal mit dem lesen innehalten solle. Dann spürte ich, dass Gott mir sagte, dass Er von mir nicht will, dass ich eine tägliche „Stille Zeit“ einräume. Warum? Weil ich dann aus meinem Wesen dazu geneigt hätte, Gott mehr oder weniger nur in dieser Zeit eine Art „Sprechstunde“ einzuräumen. Was Gott von mir wollte, war aber viel mehr: Ich solle nicht täglich soundsoviel beten, sondern er will von mir, dass ich ein Gebet bin! Mit anderen Worten: Dass ich den ganzen Tag, in allem, was ich tue, in Interaktion mit Gott bleibe. Das gelingt mir mal mehr, mal weniger gut. Aber es hat mich in den bisher 40 Jahren mit Gott tief verbunden und zu vielen besonderen Erlebnissen geführt.
So das Gebet zu pflegen, ist nicht unbedingt das, was jeder andere auch so tun sollte. Das ist Gottes Weg mit mir. Mit dir will Er diesbezüglich womöglich einen anderen Weg gehen. Das musst du Ihn schon selbst fragen. Doch eins habe ich in der ganzen Zeit gelernt: Nicht die Anzahl der Worte im Gebet, nicht die Stunden, die ich lauschend in Stille vor Gott verbringe, noch sonstiges Ritual ist Gott wichtig. Was Ihm wichtig ist, ist die Qualität unserer Gemeinschaft mit Ihm. Die kann dann auch ab und an mal dazu führen, dass ich längere Zeit mit Ihm alleine meine Zeit verbringe. Aber nicht als ein Werkzeug, welches mich Gott näher bringen soll. Vielmehr als etwas, was sich aus unserer Art der Beziehung ergibt. Einer Regel folgt das nicht.
Eins möchte ich jedoch noch festhalten:
Ich bin nun wirklich kein Feind diverser Gebetsübungen. Das können gute Hilfsmittel sein, um überhaupt einmal zur Ruhe und zum Gebet zu kommen. Sie können auch ein wirkungsvolles Plus in unserem Leben mit Gott bilden. Es gibt viele, teils sehr unterschiedliche davon. Das ist auch gut, sind wir alle doch auch sehr unterschiedlich.
Doch die sind lediglich ein Hilfsmittel für die Gemeinschaft mit Gott. In sich selbst bilden sie keinen eigenen Wert.
Fazit: Nicht die Anzahl deiner Gebetsstunden oder anderer rituellen Übungen machen dich zu einem „guten Beter“. Damit auch noch anzugeben erst recht nicht. Gebet ist letztlich Ausdruck unserer Beziehung zu Gott. Die sollte möglichst gut sein, dann fällt auch das Gebet, der Austausch mit Gott leicht und macht sich nicht mehr an Äußerlichkeiten fest.
Ein Vorbild für ein gesundes Gebetsleben wirst du sein, wenn an dir und deinem Leben die Frucht der Gemeinschaft mit Gott sichtbar ist. Das macht auch anderen Lust, mit diesem Gott Gemeinschaft zu pflegen.